02.06.16
Doch, es bleibt
dabei, dass unser Aktienmarkt weiter nach oben will. Aber es fehlen
noch Kraft und Selbstsicherheit, um neu aufkeimende Unsicherheit
einfach wegzustecken – die Börse reagiert nach wie vor höchst
sensibel auf negativ klingende Nachrichten. Deshalb wird die
Aufwärtsbewegung immer wieder unterbrochen, wenn die Akteure durch
Zinsspekulationen, Ölpreise oder neue „Brexit“-Umfragen
irritiert werden.
Widersprüchliches
kommt weiterhin bei der Beurteilung der Weltwirtschaft. Das zeigen
jüngste Veröffentlichungen. Sie machen es den Anlegern alles andere
als leicht, eine klare Meinung zu den fundamentalen Daten zu
gewinnen. Ein kurzer Rückblick: Laut einer aktuellen EY-Analyse
(Ernst & Young) haben konjunktureller Gegenwind und der starke
Euro die Dax-Konzerne im ersten Quartal gebremst – dennoch
schafften Deutschlands Top-Konzerne einen Rekordgewinn. In den ersten
drei Monaten dieses Jahres schrumpfte zwar ihr Umsatz unterm Strich
um gut 3 Prozent. Der Gewinn aber stieg um knapp 7 Prozent auf 34,6
Milliarden Euro – so viel wie noch nie in einem ersten Quartal.
Spitzenreiter beim Gewinn war im ersten Quartal die Deutsche Telekom,
die dank des Verkaufs eines britischen Tochterunternehmens und guter
US-Geschäfte ihren Gewinn auf 4,5 Milliarden Euro verdreifachen
konnte.
Das klingt nicht
schlecht. Dagegen warnt die OECD jetzt wieder: Die Weltwirtschaft sei
in einer Phase geringen Wachstums gefangen. Es bedürfe koordinierter
und umfassender Maßnahmen der Fiskal-, Geld- und Strukturpolitik, um
auf einen höheren Wachstumspfad zu gelangen und um die politischen
Versprechen vor allem gegenüber der jüngeren und der älteren
Generation zu erfüllen. „Das Wachstum in den fortgeschrittenen
Volkswirtschaften bleibt schwach und hat sich in den
Schwellenländern, die seit der Krise Zugpferd der Weltwirtschaft
waren, abgeschwächt“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría
bei der Vorstellung des OECD-Wirtschaftsausblicks auf dem
diesjährigen OECD-Forum in Paris.
Die Nachrichten über
die Stimmung der Anleger bestätigen die fehlende Klarheit im
Börsenumfeld. Erstmals seit längerer Zeit gibt es bei der Befragung
zum Profi-Börsentrend, die von der DAB Bank monatlich unter
unabhängigen Vermögensverwaltern durchgeführt wird, mehr
Pessimisten als Optimisten. Während 20 Prozent der Befragten für
Juni steigende Aktienkurse erwarten, sehen 27 Prozent fallende Märkte
voraus. Die Mehrheit – 53 Prozent – geht dagegen von einer
überwiegend stabilen Entwicklung aus. Für die kommenden Wochen wird
mit stärkeren Schwankungen aufgrund der Brexit-Thematik und der
Diskussionen um einen möglichen Zinsschritt in den USA gerechnet.
Von einem deutlichen
Richtungswechsel der befragten institutionellen Anleger seit
vergangenem Mittwoch berichteten gestern die Frankfurter
Stimmungsanalysten. Ganze 12 Prozent sind aus ihren Dax-Aktien
ausgestiegen und 11 Prozent direkt short gegangen. Das drückt den
Sentiment-Index von euphorischen +31 Punkten auf +8 Punkte. Keinerlei
Reaktion zeigten dagegen die privaten Anleger, deren Sentiment-Index
unverändert bei +1 Punkt steht. In der Summe sieht Verhaltensökonom
Joachim Goldberg den Markt aber wieder deutlich stabiler, denn die
Anleger verfügten eigentlich über „genügend Kaufmunition."
Allerdings scheine das langfristige Kapital aus dem Ausland dem
deutschen Markt immer noch fern zu bleiben.
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Ich selbst neige –
kurz zusammengefasst – zu folgendem Szenario: Konjunktur, Inflation
und Zinsen stellen aus heutiger Sicht keine besondere Belastung für
die Börse mehr da, wirken im weiteren Jahresverlauf eher anregend.
Der Rohölpreis ist noch nicht gefestigt, ihn gilt es weiter zu
beobachten. Trotz der jüngsten Umfrageergebnisse glaube ich nicht an
den „Brexit“, so dass ein gewichtiger Unsicherheitsfaktor im Juni
verschwinden dürfte. Deshalb halte ich es unverändert für
sinnvoll, an schwächeren Tagen die Bestände insbesondere an
deutschen und US-Aktien weiter aufzustocken.
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