Börsenstimmung: Nervös sind nur die kurzfristigen Anleger

21.10.16



Es hat selbst einem „Börsen-Dino“ gut getan, auf dem Rosenheimer Börsentag so viele optimistische Privatanleger zu sprechen. Die meisten der fortgeschrittenen, weil erfahrenen Besucher waren langfristig orientierte Aktienfans. Das belegt auch das spontan enorme Interesse am neuen BCDI-Aktienfonds. Dennoch lassen sich Aktionäre naturgemäß von spürbar zunehmender Unsicherheit auf den Märkten naturgemäß anstecken. Dabei hat der Verlauf gerade der vergangenen Tage einmal mehr gezeigt, dass man auf kurzfristigen Kursbewegungen und deren Kommentierung durch Analysten, Händler und die beobachtenden Medien wenig bis nichts geben kann.


Beispiel: Da werden schon im Vorfeld der EZB-Sitzung vom vergangenem Donnerstag die möglichen Beschlüsse der Währungshüter diskutiert und kommentiert. Und Sie, geschätzte Anleger, lesen tagelang die bekannten Formulierungen wie „Warten auf Draghi“ und „Anleger vor der EZB-Sitzung unsicher“ bzw. „Werden die Anleihekäufe verlängert?“ usw. Dann passiert tatsächlich nichts, Draghi verkündet auf der Pressekonferenz auch nichts Besonderes. Daraufhin reagiert der Aktienmarkt spontan enttäuscht (Händler: „Wir hatten mehr erwartet“), der Dax rutscht ins Minus. Aber zeitgleich äußern andere Profis übereinstimmend, die Nicht-Ergebnisse der EZB seien eigentlich keine Überraschung, denn man habe ja auch nichts erwartet. ??? Meine Frage: Wollen Sie sich, liebe Leser, an solchem Geschwätz orientieren? Ach ja, der Dax zog kurz darauf wieder an und schloss über der Marke von 10.700 Punkten.

Gemessen an der Kursentwicklung besteht also keine Sorge. Das spiegelt auch die unmittelbar vor dem EZB-Meeting abgeschlossene wöchentliche Stimmungsanalyse von der Börse Frankfurt wider. Die Stimmung der Profis, wie sie im Börse Frankfurt Sentiment-Index zum Ausdruck kommt, hat sich trotz der niedrigen Volatilität weiter verbessert und konnte mit einem Zuwachs von 10 Punkten nunmehr einen Stand von + 29 Punkten markieren. Das ist der höchste Wert der vergangenen vier Monate. Offensichtlich haben vormals pessimistisch eingestellte Akteure den zwischenzeitlichen Rücksetzer des Leitindex auf rund 10.350 Zähler zu Rückkäufen und zu einer 180-Grad-Wende ihrer Positionierung genutzt – aus Bären wurden Bullen.

Dieser im internationalen Vergleich doch recht hohe Optimismus ist bemerkenswert, kommentieren die Frankfurter Sentiment-Analysten. Denn wie die neue Fondsmanager-Umfrage von BofA Merrill Lynch ergeben hat, scheint die Angst vor einem zum Befragungszeitpunkt noch wahrscheinlich aussehenden radikalen Austritt Großbritanniens aus der EU, einem sogenannten "hard Brexit", Investoren in den USA und hierzulande kalt zu lassen. Und das, obwohl das britische Pfund während jener Zeit in einen geradezu dramatischen Abwärtstrend hineinrutschte, der bislang bestenfalls temporär aufgehalten werden konnte. Der Umfrage zufolge befürchten die internationalen Investoren vielmehr, dass es zu einem Crash am Anleihemarkt kommen könnte. Zumindest erwarten netto 76 Prozent der Befragten eine steilere Renditekurve bei US-Anleihen. Die Mehrheit der Fondsmanager geht sogar davon aus, dass die Anleiherenditen in den kommenden sechs Monaten zum wichtigsten Einflussfaktor für die Aktienmärkte werden dürften. Eine Befürchtung, die sich in den Frankfurter Sentiment-Umfragen der vergangenen Wochen (noch) nicht niederschlägt.

Auch der Optimismus der Privatanleger konnte noch einmal zulegen. Gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index bedeutet dies einen Zuwachs um 12 Punkte auf einen Stand von + 43 Punkte, was ein neues Jahreshoch bedeutet. Auch bei dieser Anlegergruppe fällt auf, dass sich die Anzahl an neutral gestimmten Akteuren mit einem Anteil von 15 Prozent aller Befragten trotz der anhaltenden Seitwärtsbewegung des Dax eher im unteren Bereich befindet.

Resümieren die Frankfurter: Der wachsende Optimismus der von uns befragten Akteure gibt uns zu denken. Zumal die BofA Merrill Lynch-Umfrage kein Indiz dafür liefert, dass Aktien der Eurozone – diese sind im Vergleich zum Vormonat unverändert leicht übergewichtet – von internationalen Kapitalzuflüssen profitiert hätten. Damit ist der Optimismus unserer Investoren eher hausgemacht, verhindert jedoch, dass der Dax aus der jetzigen Position heraus Flügel verliehen bekommt. Vielmehr würden auf erhöhtem Kursniveau (bei ca. 10.800 Punkten) Gewinnmitnahmen einer stärkeren Bewegung zumindest temporär Sand ins Getriebe streuen. Gleichzeitig hat sich die Nachfragesituation an der Unterseite durch die jüngsten Aktienkäufe verschlechtert, womit der Dax gegen Rückschläge (gegebenenfalls nun auch unter 10.200 Zähler) verwundbarer geworden ist. Mit anderen Worten: Ohne frisches (internationales) langfristiges Kapital geht es für den Dax bestenfalls in die Richtung, die die wenigsten erwarten: seitwärts.

Ich meine: Das dürfte sich aller Voraussicht nach bis November, vielleicht auch bis Dezember nicht wesentlich ändern, weil viele Investoren erst die US-Wahlen und dann den Zinsentscheid der Fed in der letzten Sitzung des Jahres abwarten wollen. Das Risiko liegt aber eindeutig auf der Anleiheseite (steigende US-Inflation, steigende US-Zinsen). Aktien könnten kurzfristig davon irritiert werden, müssten längerfristig aber profitieren.