Wenn Sprache modisch wird – ein Stück weit Unsinn

15.02.17

hk – Es mag am fortgeschrittenen Alter liegen, wenn man sich von modischen Veränderungen im Sprachgebrauch genervt fühlt. Andererseits ist im Sinne des Worts angesagt, dass Moderatoren und Kommentatoren allzu häufig durchaus deutsche Wörter in den Mund nehmen, die früher seltener und nur in ihrer Kernbedeutung Verwendung fanden. Nein, nicht gemeint ist die schon seit Jahrzehnten zunehmende Durchdringung mit Anglizismen. Keine Kritik auch an der Sprache der Jugend. Vielmehr geht es um die Verschiebung bzw. Ausweitung der Nutzung von Begriffen – und die dann zu oft, weil in Mode gekommen.


Einen Sonderfall bildet aussprachetechnisch der Buchstabe „E“. Immer häufiger wird aus dem edlen Basisvokal unserer Sprache ein fettes „Ä“ (und niemand stört sich daran). Das fängt schon bei unserer Mutter „Ärde“ an und hört bei der Frage auf, was aus unseren „Wärten“ werden soll. Natürlich freuen sich Getreidebauern, wenn aus „Ehre, wem Ehre gebührt“ ein „Ähre, wem Ähre gebührt“ wird.

Ich möchte deshalb, dass Sie mich „ein Stück weit“ begleiten. Das sollte für Sie „nicht wirklich“ ein Problem sein. Überhaupt: Zustimmung von Mensch zu Mensch wird heutzutage nicht mehr mit dem simplen „Ja“ bekundet, sondern mit „kein Problem“. Beispiel: Im gut gefüllten Café frage ich zum Nachbartisch hin, ob noch ein Stuhl frei sei (es kommt gerade ein Gast von mir). Freundliche Antwort: „Kein Problem!“ Wieso eigentlich Problem???
Dass die Digitalisierung auch im Deutschen Spuren hinterlässt, darf nicht verwundern. An den Einsatz des eher unangenehmen Buchstaben „X“ hat man sich mittlerweile nicht nur im Börsenwesen bei Hightech-Unternehmen gewöhnt. Als Ausdruck innovativer Moderne gilt außerdem, das „4.0“ anzufügen (z.B. Industrie 4.0) oder „24“ im Namen von Online-Firmen zu integrieren. Multimäßig einsetzbar ist der „Modus“, in dem sich irgend etwas befindet (z.B. Angstmodus).

Geradezu ärgerlich sind die Sprachwandlungen im Sport, wenn TV-Kommentatoren betont lässig pseudointellektuelle Modifizierungen von Kollegen kopieren. Vor Jahren schon wurde bei Fußballübertragungen aus dem „Flügel“ die „Bahn“, übernommen von der Leichtathletik: „Auf der rechten Außenbahn sorgt Fritz Flitzer für die größte Gefahr.“ Aus dem Eishockey wurde der „Stockfehler“ kopiert, wenn ein Spieler mit seinen Füßen und dem Ball (ersatzweise „Kugel“) einmal nicht klar kommt. Klar, kritische Kommentare des bekannten Fernsehmenschen gewinnen an Wert, wenn sie sprachlich angehoben werden, etwa durch Formulierungen wie „Die Leistung in der ersten Halbzeit war überschaubar“ oder „Die Flanke von Paul Passman war optimistisch“. Aus Konterfußball ist längst das „Umschaltspiel“ geworden. Und wenn der Ball besitzende Gegner in schon in seiner eigenen Hälfte attackiert wird, dann steht die andere Mannschaft extrem „hoch“. Typisch außerdem, dass sich Sigi Stürmer voll ärgert, wenn ein angreifender Mitspieler nicht erkennt, dass Sigi total „blank“ steht (statt „frei“).

Nicht zuletzt die häufigen Wetterberichte in Funk und Fernsehen stecken an – „unterwegs“ ist dafür das beste Beispiel. Denn längst sind nicht nur Tiefdruckgebiete und Gewitter unterwegs, sondern Erkältungen, Sorgen und einfach alles.

Zu guter Letzt ein Wort, das ich in meiner journalistischen Jugend nie (wirklich nie!) gelesen habe – heute jedoch täglich: „befeuert“. Es geht nicht mehr um die Urbedeutung „eine Feuerstelle mit Brennstoff versorgen“, sondern um anspornen, anfeuern, etwas verstärken. Kein aktueller Vorgang ist mehr geschützt davor, von einem anderen Vorgang oder einer Person „befeuert“ zu werden. Zugegeben, das Ganze ist „nicht wirklich“ ein Problem, sondern „ein Stück weit“ nervig. Ähnlich verhält es sich mit „Gemengelage“, die uns heutzutage überall Sorgen bereitet.


Ach, wie gut, dass es noch die Körpersprache gibt!