Anlegerverhalten: Hohe Risikofreude = hohe Chancenfreude

21.06.17

Als aktiver Aktienförderer ist mir wieder einmal danach zu meckern. Denn der jüngste Stimmungsbericht zeigt besonders deutlich, wie mit dem Wort „Risiko“ umgegangen wird, ohne zugleich von „Chance“ zu sprechen. Wohlgemerkt, ich schätze die Arbeit der Sentiment-Analysten sehr (und zitiere sie gern), doch kritisiere ich die Wortwahl, weil sie das „risikoaverse“ Falsch-Sparen hierzulande indirekt fördert. Sehen Sie selbst, geschätzte Anleger.




Hier der jüngste Bericht der international anerkannten Stimmungsforscher aus dem Hause Sentix: 

Hohe Risikoneigung bei Aktien. Die Anleger zeigen weiter eine relativ hohe Risikofreude bei ihren Aktien-Engagements. Mit dieser Aussage sind weniger absolut hohe Aktienbestände gemeint, sondern die Struktur und die Handlungsmuster. Vor allem Aktien kleiner Firmen stehen bei Investoren weiter hoch im Kurs und Kursgewinne lösen als Anlageziel zunehmend die Dividenden ab. Hinzu kommt, dass Anleger mehr und mehr prozyklisch agieren. Der Sentix Index zur Risikoneigung bewertet das Anlegerverhalten am Aktienmarkt in Bezug auf die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Anleger können Risiken nicht nur durch das Ausmaß ihres Aktien-Engagements eingehen, sondern auch durch die Struktur. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Risikoneigung erneut auch im Juni leicht gestiegen ist. Ursächlich dafür ist, dass mit dem Ende der Dividendensaison in Europa das Motiv „Kursgewinne“ stärker in den Vordergrund rückt. Daneben geben die Anleger an, zunehmend prozyklischer – also in Richtung des vorherrschenden Trends – agieren zu wollen. Unverändert hoch bleibt das Interesse der Anleger an Aktien kleinerer Firmen. Diese Fokussierung auf „small caps“ ist auch ein Zeichen der Risikofreude. In der Vergangenheit war eine hohe Risikofreude oftmals ein Vorbote für nahende Korrekturen. Dieses Mal könnte sich die Reaktion verzögert einstellen, da Investoren absolut betrachtet nur „durchschnittlich“ investiert sind und angesichts des Nullzinsumfeldes für viele Anleger die Alternativen fehlen.


Soweit die wirklich interessante Sentix-Analyse. Zählen Sie doch einmal, wie oft das Wort Risiko (oder Risiken) enthalten ist und wie oft Chance!


Ich stehe weiter auf europäische Aktien – aus zwei Gründen. Zum einen setze ich politisch weiter auf Europa, denn eine starke deutsch-französische Achse kann (kann!) einen Neustart für die Gemeinschaft nach dem Brexit-Beschluss initiieren. Zum zweiten ist die von einigen Vordenkern vorhergesagte Aufholjagd der europäischen Wirtschaft gegenüber den USA in vollem Gang, was auch die Aktienkurse betrifft. Dass der fundamentale Rückhalt immer stärker wird, belegt auch die gestern vorgelegte ifo-Konjunkturprognose 2017/2018. Darin heißt es u.a.: Der
Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirtschaft seit nunmehr 2013 befindet, gewinnt an Stärke und Breite. Das Institut rechnet mit einem Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,8% im laufenden und 2,0% im kommenden Jahr. Wie schon in den vergangenen Jahren wird die konjunkturelle Entwicklung von der weiter lebhaften Konsumnachfrage der privaten Haushalte und der regen Bautätigkeit bestimmt. Einen zunehmenden Beitrag zum Aufschwung werden die Exporte leisten, die von den verbesserten Konjunkturaussichten im Euroraum und dem Rest der Welt profitieren. Deshalb dürften auch die bisher eher zur Schwäche tendierende Industriekonjunktur und die ebenfalls enttäuschenden Unternehmensinvestitionen anziehen.


Weiter positiv sehen die Forscher auch die globale Entwicklung: Das weltwirtschaftliche Expansionstempo hat sich im zurückliegenden Winterhalbjahr wieder etwas verlangsamt, nachdem es in den vier Quartalen zuvor stets gestiegen war. Allerdings war diese Verlangsamung vor allem temporären Faktoren geschuldet. Insgesamt bleibt die zugrundeliegende konjunkturelle Dynamik in der Welt robust.


Das spricht für Aktien, wobei ich die aktuellen, angeblich belastenden Sorgen wegen sinkender Ölpreise nicht nachvollziehen kann. Gewiss, schon die erreichten dünnluftigen Kurshöhen veranlassen viele institutionelle Investoren, kurzfristiger zu agieren und Gewinne immer wieder zu realisieren. Auch stärkere Rücksetzer oder eine längere Konsolidierungsphase wären jetzt keine Überraschung. Längerfristig wird sich aber eine mutige Einstellung gegenüber der Aktienanlage lohnen. Aktien sind eben Chancenkapital!


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!