Börsenstimmung: Nachrichten sorgen für kurzfristige Kurs-Zuckungen

23.05.18

Mein Einstieg im letzten Kommentar gilt praktisch unverändert: Die Politik als Einflussfaktor für die Finanzmärkte ist zurück. Damit wird der Nebel über den Börsen noch dichter. Der Handel gestern und heute bestätigt einerseits die relative Gelassenheit der Anleger gegenüber den großen Problemkreisen, andererseits die vorsichtigen kurzfristigen Reaktionen auf neue Nachrichten.

Weder Bullen noch Bären gewinnen momentan eindeutig und nachhaltig die Oberhand. Hinter konkreten Aussagen der Analysten muss man oft schon bei Veröffentlichung ein Fragezeichen setzen. Die Kursbilder auf beiden Seiten des Atlantiks sind bei genauer Betrachtung recht uneinheitlich. Langfristige Anleger werden dadurch eher irritiert, kurzfristige Stockpicker und Nachrichten-Trader dagegen motiviert. Typisch die unterschiedlichen Blickwinkel, die ich durch zwei Beispiele kurz gegenüberstellen möchte.




Das schon seit längerem skeptische Research der Helaba gab schon unmittelbar vor Pfingsten folgende Warnung aus: Die derzeitige Zwischenerholung bei Aktien dürfte sich als Strohfeuer erweisen. Konjunkturzyklus und Saisonmuster sprechen dafür, dass die Schwächephase noch bis Herbst anhalten wird. Nur für kurze Zeit schien es so, als würden Aktienanleger wieder stärker auf Risiken achten. Inzwischen sind sie in den Sorglos-Modus zurückgekehrt. Die implizite Aktienmarktvolatilität – ein Barometer für die Risikowahrnehmung der Investoren – bewegt sich in Richtung alter Tiefstände. Zunehmende geopolitische Risiken und der schwelende Handelskonflikt werden ebenso ausgeblendet wie anziehende Renditen bei Staatsanleihen und rückläufige Frühindikatoren. Im jüngsten Vormonatsvergleich legten die international führenden Indizes zum Teil deutlich zu, so dass die meisten Börsenbarometer gegenüber dem Jahresultimo wieder ein leichtes Plus aufweisen.


Dabei beginnt im Mai historisch gesehen der schlechteste Sechsmonatszeitraum.
Rückrechnungen bis zum Jahr 1965 zeigen, dass der Dax im Zeitraum von Mai bis Oktober eine signifikant niedrigere Performance aufweist als zwischen November und April. Ähnliche Saisonmuster sind im Übrigen auch bei vielen anderen Börsenbarometern zu beobachten. In diesem Jahr hatten die meisten Aktienindizes bereits im Januar ihr Hoch ausgebildet und bis Ende März korrigiert.

War das schon alles und sollte man statt „Sell in May“ eher „Buy in May“ praktizieren?

Die Landesbanker haben vergleichbare saisonale Konstellationen untersucht: Der Dax hat in Jahren, in denen Aktien wie diesmal bis Ende April eine negative Performance aufwiesen, im Sechsmonatszeitraum von Mai bis Oktober noch deutlich schlechter abgeschnitten (-6,7 %) als im Durchschnitt aller Jahre seit 1965 (+0,4 %). Das saisonale Argument spricht somit dafür, sich mit Engagements weiterhin zurückzuhalten.


Natürlich sollte man die Anlagestrategie nicht allein von den Jahreszeiten abhängig machen. Die Entwicklung von Konjunktur und Unternehmensgewinnen ist längerfristig wichtiger, hinzu kommen die unberechenbaren, übergeordneten politischen Einflüsse. Fazit der Landesbanker: „Nachhaltiges Kurspotenzial lässt sich auf Basis fundamentaler Faktoren nicht ableiten.“


Positive Töne für eine wichtige deutsche Branche schlägt dagegen Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, heute Morgen an: „Entschärfung des Handelsstreits zwischen den USA und China? Das wird dank der Kommentare von US-Finanzminister Steven Mnuchin sowie versöhnlichen Tönen von Chinas Vizepremier Liu He wahrscheinlicher.“ Deutschlands Autobauer freut insbesondere das erste konkrete Detail: China wird seine Auto-Importzölle von 25 auf 15 Prozent senken. Diese hatten über zehn Jahre Bestand. Mit 14 Prozent sind Auto- und Reifenhersteller im Dax hoch gewichtet. Der „Auto-Dax“ als lachender Dritter im Handelsstreit, wer hätte das gedacht? Weniger Einfuhrbeschränkungen auf dem weltweit größten Automarkt könnten nicht nur die Umsätze, sondern auch die schwache Bewertung des Sektors anheben.


Auf jeden Fall zeigen sich einmal mehr die Zusammenhänge: Wenn wirtschaftliche Folgen politischer Entwicklungen deutlich erkennbar werden, werden dadurch auch das Anlegerverhalten und die Kursentwicklung beeinflusst – wie stark, hängt vom Gewicht der fundamentalen Faktoren ab. Wir erleben gerade eine Phase, in der das Abwärtsrisiko begrenzt erscheint und der Dax anderseits in kleinen Schritten weiter aufwärts zu klettern versucht. Die Warnungen vor einer neuen Weltfinanzkrise teile ich nicht.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!