Börseneinflüsse: (Wirtschafts-)Politik stört die gelassene Stimmung

18.05.18

Die Politik als Einflussfaktor für die Finanzmärkte ist zurück. Damit wird der Nebel über den Börsen noch dichter. Das hat für die Aktien bisher noch keine dramatischen Folgen – im Gegensatz zu US-Zinsen, Öl- und Goldpreisen –, aber viele Anleger halten sich verständlicherweise zurück, um nicht in einen Graben zu fahren. Meine seit Wochen beschriebene Beobachtung, dass den internationalen Strategen richtungsweisende, perspektivische Vorhersagen zusehends schwerfallen, haben sich in den vergangenen Tagen weiter bestätigt.




Dabei liegt eine ziemlich ruhige Woche hinter uns. Gemessen an den neu aufgeflammten geopolitischen Risiken während dieses Zeitraums ist die geringe Volatilität bemerkenswert, schreiben die Verhaltensforscher der Börse Frankfurt in ihrem Wochenbericht (per Mittwoch). Derweil hat sich die Situation im Nahen Osten deutlich verschärft, auch die Friedensbestrebungen zwischen Nord- und in Südkorea sind inzwischen wieder kritischer zu sehen.


Und was die globale Konjunktur angeht, sind etwa gemäß der jüngsten Umfrage von BofA Merrill Lynch gerade noch netto 1 Prozent der Fondsmanager der Ansicht, dass sich das Wachstum beschleunigen wird. Allerdings gaben per Saldo auch nur 2 Prozent der Manager an, dass sie in diesem Jahr mit einer Rezession rechnen. Und tatsächlich lässt sich konstatieren, dass die Risikoaversion bei einer auf 4,9 Prozent leicht gesunkenen Kassenhaltung nicht gestiegen ist.


Deutlich pessimistischer zeigen sich die hierzulande allwöchentlich befragten institutionellen Anleger, für die der Börse Frankfurt Sentiment-Index trotz eines kleinen Anstiegs von 4 Punkten immer noch einen Stand von -7 Punkten ausweist. Die Veränderung dürfte vor allen Dingen deswegen so gering ausgefallen sein, weil die enge Handelsspanne weder zu großen Gewinnen noch zu ernstzunehmenden Verlusten geführt hat. Und so wundert es auch nicht, dass der jüngste Anstieg des Stimmungsbarometers fast nur auf eine kleine Gruppe früherer Pessimisten zurückzuführen ist, die ihre bärischen Engagements etwas zurückgenommen haben.


Etwas deutlicher fällt die Stimmungsentwicklung bei den Privatanlegern aus. Da sich in dieser Gruppe die Optimisten weiter auf dem Rückzug befinden und teilweise Gewinne festgeschrieben haben, die bereits vor längerer Zeit aufgelaufen waren, ergibt sich ein Rückgang des Börse Frankfurt Sentiment-Index um 7 Punkte auf einen Stand von ebenfalls -7 Punkten. Damit hat sich die Stimmung zwar nicht extrem eingetrübt, aber immerhin nun zum vierten Mal hintereinander verschlechtert.

Unter dem Strich überwiegen bei der jüngsten Befragung also immer noch die pessimistischen Elemente. Und wovor sich die institutionellen Akteure besonders fürchten, wird auch an oben genannter Umfrage unter internationalen Fondsverwaltern deutlich. Für sie besteht das größte Extremrisiko derzeit in einem möglichen Fehler in der Geldpolitik der EZB oder der US-Notenbank. Die Gefahr eines Handelskrieges ist in der Wahrnehmung der Investoren indes auf Platz 2 abgerutscht.


Eigentlich bleibt für den Dax fast alles beim Alten. Ordentliche Nachfrage ist auf tieferem Niveau (möglicherweise bei 12.600/12.650 Zählern) aufgrund möglicher Rückkäufe zu erwarten. Der geringe Anstieg des Dax von gerade einmal 0,5 Prozent im Wochenvergleich hat die Pessimisten dagegen eher etwas eingeschläfert. Das kann sich schlagartig ändern, wenn sich plötzlich ein stärkerer Anstieg des Börsenbarometers ergeben sollte. In diesem Fall erwarten die Sentiment-Analysten immer noch eine ordentliche Short-Squeeze, womit sich der Dax per Saldo nach wie vor von seiner positiven Seite zeigen könnte.


Blickt man etwas länger zurück, so belegen jetzt vorgelegte Zahlen die gewachsene Gelassenheit. Stabile Kurse und ein langsam, aber kontinuierlich steigender Dax haben im April dazu geführt, dass die Privatanleger wieder vermehrt zugekauft haben. So stieg der Comdirect Brokerage Index von 98,9 Punkten auf 101,5 Punkte. Ein Stand von über 100 Punkten zeigt, dass die Käufe die Verkäufe überwiegen. Zugleich war die Handelsaktivität insgesamt eher gering. Das ist typisch für eine Phase mit stabilen Kursen.


Und die Politik? Niemand – und das halte ich für vernünftig – wagt aktuell die weiteren Entwicklungen der einzelnen Krisenherde und die voraussichtlichen Folgen für die Börsen zu konkretisieren. Dazu ist das lange vernachlässigte Thema Italien nun in den Vordergrund gerückt, was auch die Anlagestrategen der Deutschen Bank bestätigen: In der Eurozone ist das politische Risiko zurück. Der Zinsunterschied zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen vergrößerte sich daher in dieser Woche deutlich. Schuld sind die Pläne der Parteien Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord, die sich momentan in Koalitionsverhandlungen befinden: Zur Diskussion stehen Schuldenerlass, Möglichkeiten zum Euro-Ausstieg und das Ende der Maastricht-Kriterien. Werden zudem alle Wahlversprechen umgesetzt, dürfte sich das Haushaltsdefizit um bis zu 6 Prozentpunkte erhöhen. Profiteure der politischen Risiken könnten einmal mehr die sogenannten „sicheren Häfen“ sein, glaubt die Bank, etwa der Schweizer Franken.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!