Börsenstimmung: Vor der Wende kann’s noch schlechter werden

26.10.18

Vorab zwei aktuelle Beobachtungen: Neben den vielen Belastungsfaktoren aus aller Welt reagiert die Börse inzwischen sensibel auf Korrekturen fundamentaler Wirtschaftsdaten. Außerdem wird die Stimmungsverschlechterung dadurch erkennbar, dass sich enttäuschende Nachrichten stärker in den Kursen niederschlagen als positive Überraschungen. Die Anleger suchen förmlich nach negativen Aussagen, selbst in an sich guten Berichten. Das spricht für tendenziell weiter fallende Kurse. Andererseits wissen wir, dass sich das Stimmungsbild rasch auch wieder ändern kann.



Abgesehen von den bisher uneinheitlichen Ergebnissen der amerikanischen Berichtssaison bereiten die jüngsten Konjunkturschätzungen den Investoren Kopfzerbrechen. Beispiel: Professionelle Beobachter der EZB-Geldpolitik haben einer Umfrage zufolge ihre Konjunkturprognosen gesenkt. Wie Reuters jetzt meldete, rechnen die Volkswirte nun für 2018 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Euro-Zone von 2,0 Prozent. Noch im Juli hatten sie ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet. Für 2019 senkten sie ihre Prognose auf 1,8 von zuvor 1,9 Prozent. Die Vorhersagen der Volkswirte werden von den Währungshütern genau verfolgt. Sie sind ein wichtiger Faktor, der in ihre geldpolitischen Überlegungen einfließt. Notenbank-Chef Mario Draghi hatte am Donnerstag nach der Zinssitzung gesagt, dass die Wirtschaft im Euro-Raum etwas an Schwung verloren habe. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euro-Raum, trübte sich das Barometer des Ifo-Instituts für das Geschäftsklima im Oktober unerwartet deutlich ein.

An ihren Prognosen für die Inflation im Währungsraum rüttelten die EZB-Beobachter hingegen nicht. Weiterhin erwarten sie für dieses Jahr sowie für 2019 und 2020 eine Teuerungsrate von jeweils 1,7 Prozent. Die EZB strebt knapp unter 2 Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an. Im September lag die Inflation mit 2,1 Prozent etwas über diesem Niveau.
Abgesehen davon müssen wir stets über den großen Teich blicken, denn Wall Street bleibt die Leitbörse, auch wenn Konjunktur und Zinsen hier wie da nicht mehr synchron verlaufen. Die meinungsfreudigen Analysten der Helaba haben zum Wochenende ein Bild skizziert, das ich ganz ähnlich sehe: Dass die US-Börse dem geldpolitischen Gegenwind so lange trotzte, lag wohl auch an den Steuerentlastungen, die zu einer Niveauanpassung bei den Unternehmensgewinnen geführt haben. Dabei haben die Marktteilnehmer allerdings (zu) viel Positives vorweggenommen. Trotz höherer Nettoergebnisse blieben die Bewertungen deutlich oberhalb des langfristigen Normalbandes. Helaba wörtlich: „Im Zuge der jüngsten Korrektur hat sich die akute Überhitzung zwar abgebaut. Wirklich günstig sind US-Titel aber noch nicht.“

Deutlich besser stellt sich die Bewertungssituation beim Dax dar, der nach Einschätzung der Frankfurter Analysten inzwischen auf Basis der gängigsten Kennziffern ein faires Niveau erreicht hat. Für einen tragfähigen Kursboden reicht dies vermutlich aber noch nicht aus. In der Vergangenheit endeten ausgeprägte Korrekturbewegungen erst dann, wenn sich auch eine Bodenbildung bei konjunkturellen Frühindikatoren wie Ifo-Geschäftsklima- oder ZEW-Index abzeichnete. Diese ist angesichts des noch vergleichsweise hohen Niveaus dieser Indikatoren bislang nicht der Fall.

Neben den fundamentalen Aspekten spielen auch marktpsychologische Faktoren eine wichtige Rolle, gerade wenn es ums Timing geht. Ein markantes Tief an den Aktienmärkten geht meist mit ausgeprägtem Pessimismus unter den Anlegern und einem Ausverkauf einher. Erste Anzeichen hierfür sind bereits zu erkennen. Angstbarometer wie die implizite Aktienvolatilität sind aber noch ein ganzes Stück von den letzten Spitzenwerten entfernt. Die Marktteilnehmer scheinen derzeit also noch deutlich gelassener als während der ersten Korrekturwelle zu Jahresbeginn zu sein. Vermutlich muss es erst noch schlechter werden, bevor es wieder besser werden kann. Wie viel schlechter? Ein Vergleich mit dem Kurstief vom Februar 2016, dem Ende des damaligen Bärenmarktes, bietet eine gute Orientierungshilfe. Würde der Dax so bewertet wie damals, entspräche dies einem Indexstand von rund 10.500 Punkten.

Auch wenn die Notierungen kurzfristig also noch etwas nachgeben dürften, wird das Chance-Risiko-Verhältnis für deutsche Aktien allmählich interessant, heißt es zusammenfassend. Ich bin mir jedoch keineswegs sicher, ob diese Bewertungsperspektive für einen Kursumschwung nach oben ausreicht – die Einflüsse der geo- und wirtschaftspolitischen Probleme können stärker sein und die fundamentalen Entwicklungen stärker dämpfen, damit die Kurse noch länger unter Druck setzen!

Machen Sie trotzdem weiter mit – und machen Sie’s gut!