Anlegerverhalten: Wenn steigende Zinsen das Aktieninteresse lähmen

24.10.18

Was passiert, wenn die Zinsen schneller und stärker steigen als bisher angenommen (= von der Börse eingepreist)? Das gehört zu den vielen schwerwiegenden Fragezeichen, die inzwischen die Märkte verunsichern. Für die Fachwelt reicht das nicht aus, denn Analysten geht es u.a. auch um die Zinsstruktur (kurz-lang) sowie die Inflations- und Konjunkturentwicklung. Der Vergleich mit ähnlichen Phasen hilft weiter, wenngleich das ganze Umfeld berücksichtigt werden muss. Mir geht es um eine spezielle Erkenntnis: Es droht eine Abschwächung des privaten Anlegerinteresses an der Aktie. Daher muss die Aktienanlage weiter und noch intensiver als bisher gefördert werden.



Die Deutsche Bank hat das Finanzvermögen der Privathaushalte in Deutschland näher untersucht und seine Struktur mit der Situation in Großbritannien und Frankreich verglichen. Zentrales Ergebnis: Wir sind stärker diversifiziert als unser Ruf. Im Folgenden Auszüge aus dieser Untersuchung.


Deutsche Haushalte gelten als sehr risikoscheu. Und tatsächlich halten die Deutschen verglichen mit Franzosen oder Briten einen größeren Anteil ihrer Ersparnisse in Form von Bankeinlagen. Die Portfoliozusammensetzung der deutschen Haushalte unterscheidet sich heutzutage jedoch nicht wesentlich von der ihrer französischen oder britischen Pendants, wenn man alle risikoarmen
Investitionen mit niedriger Rendite wie Versicherungen und Pensionsfonds berücksichtigt.

Deutsche Privathaushalte halten etwa 12% ihres Finanzvermögens in Form von Anlagen am Kapitalmarkt – ebenfalls eine ähnliche Größenordnung wie in anderen europäischen Ländern. Zwei Beobachtungen sind bemerkenswert:
Erstens ist ein Drittel der Aktionäre älter als 60 Jahre. Zweitens liegt der Anteil der Aktionäre an der Bevölkerung in Ostdeutschland weit unter dem im Westen.
Aufgrund der niedrigen Zinsen nahm der direkte Aktienbesitz in Deutschland in den letzten Jahren erheblich zu; die Nettoinvestition in Aktien betrug seit 2013 51 Mrd. Euro. Auch die Zahl der Privatpersonen, die indirekt über Fonds Aktien halten, stieg um 18%. Und dann folgt eine Aussage, die ich heute unterstreichen möchte: „Allerdings wird die sich abzeichnende Normalisierung der
Leitzinsen das Wachstum des Aktienbesitzes wahrscheinlich bremsen oder sogar zu einem leichten Rückgang führen.“

Privathaushalte in Deutschland investieren 6% ihres Finanzvermögens direkt in börsennotierte Aktien. Dies entspricht weitgehend dem Anteil in Frankreich und ist mehr als in Großbritannien. Darüber hinaus investieren deutsche Haushalte 10% ihres Finanzvermögens in Investmentfonds, verglichen mit 5% in Großbritannien.
Rund ein Drittel davon entfällt auf Aktienfonds, ein weiteres Drittel auf Rentenfonds und Mischfonds. Das bedeutet, dass deutsche Haushalte ungefähr 6 bis 7% ihres Finanzvermögens indirekt an den Kapitalmärkten anlegen. Mit einem Anteil am Gesamtvermögen von 12-13% sind die risikoreichen Investitionen der deutschen Haushalte nicht wirklich klein – zumindest nicht im europäischen Vergleich.


Ein stärkeres Engagement am Aktienmarkt könnte in Zukunft zu höheren Einkommen der Haushalte führen. Mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von ungefähr 3% bieten Aktien von Dax-Unternehmen derzeit deutlich höhere Renditen als Einlagen mit Zinssätzen nahe Null. Die deutschen Haushalte scheinen jedoch darauf zu reagieren. Während die Zahl der direkten Aktienbesitzer weitgehend konstant geblieben ist, stieg der Wert der direkten Aktienanlagen seit der Einführung der Nullzinsen durch die EZB kontinuierlich an. Rund 60% davon sind auf höhere Bewertungen an den Aktienmärkten zurückzuführen, während der Rest auf die Neuinvestitionen von Aktionären zurückzuführen ist. Die Zahl der indirekten Aktionäre mittels Fonds hat sich im selben Zeitraum um 18% erhöht. Gleichzeitig scheinen die deutschen Haushalte ihre Portfolios neu auszurichten, indem sie ihr Engagement am Anleihemarkt reduzieren. In Zukunft könnten die Aktienanlagen der privaten Haushalte weiter steigen, solange die Renditedifferenz hoch bleibt.

Ein ähnlicher Anstieg des Aktienbesitzes war jedoch schon um das Jahr 2000 während des Börsenbooms zu beobachten, der sich später wieder umkehrte, da sich naive Hoffnungen auf enorme Kapitalgewinne nicht erfüllten. In ähnlicher Weise wird die sich abzeichnende Normalisierung der Leitzinsen in Europa den jüngsten Anstieg des Aktienbesitzes wahrscheinlich ebenfalls bremsen oder sogar zu einem leichten Rückgang führen. Alles in allem halten die Haushalte in Deutschland einen größeren Anteil ihrer Ersparnisse in Form von Bankeinlagen als die Privathaushalte in anderen Ländern. Aber ihre Portfolios sind stärker diversifiziert als allgemein angenommen wird. Sie investieren in erheblichem Umfang und zunehmend am Aktienmarkt, sowohl direkt als auch indirekt. Aber wie lange noch?


Deshalb erinnere ich an dieser Stelle nochmals an die Aussagen auf dem 11. Rosenheimer Börsentag, als sich alle Experten einig waren, dass die Aktie als überragende Anlageklasse stärkere Unterstützung von allen beteiligten Seiten verdient.


Machen Sie also mit – und machen Sie’s gut!