Börseneinflüsse: Chancen für eine Kurserholung in Europ

19.10.18

Die Finanzmärkte können ihre Unsicherheit momentan nicht abschütteln. Keine Überraschung angesichts der vielen Fragezeichen rund um den Globus. Für die internationalen Großanleger geht es längst nicht mehr nur um den Handelskrieg sowie um Konjunkturverlauf und Unternehmensgewinne in den USA, sondern auch die Wirtschafts- und Schuldenentwicklung in den Schwellenländern. Aktuell hinzugekommen sind Sorgen, dass die US-Notenbank ihre Leitzinsen schneller und stärker als bisher erwartet anheben könnte, was dann auf die Märkte negativ ausstrahlen würde. Europa mit seinen politischen Problemen ist längst in den Hintergrund gerückt. Für den Fall baldiger Einigung über Brexit und Italien-Haushalt gibt es aber Hoffnungssignale: Europäische Aktien können dann schon bald wieder attraktiv erscheinen.



Wie verhalten sich die Marktteilnehmer an der Börse Frankfurt? Zumindest sind die Erwartungen der professionellen und der privaten Anleger jetzt wieder nahe beieinander, geht aus dem wöchentlichen Sentiment-Report der Stimmungsbeobachter hervor. Während der Dax seit dem vorangegangenen Mittwoch noch einmal deutlich verloren hat, sind 5 Prozent der Profis aus Aktien ausgestiegen und 9 Prozent der Privaten haben gekauft. Ebenso konträr das Bild bei den Short-Positionen, die 2 Prozent der Profis eröffnet und 10 Prozent der Privaten geschlossen haben. Beide Sentiment-Indizes stehen mit +21 und +26 Punkten im optimistischen Bereich.

Nach Ansicht von Joachim Goldberg geht ein nennenswerter Anteil der institutionellen Investoren weiter von einer Seitwärtsbewegung aus, deren Spanne sie in Gewinne ummünzen wollen. Es lasse sich scheinbar kaum jemand von internationalem Pessimismus anstecken. Auch die Privatanleger nicht, die wohl das Kurstief im Verlauf zum günstigen Einstieg genutzt hätten. Deswegen nimmt der Verhaltensökonom an, dass bei weiteren Kursgewinnen die bullischen Engagements schnell wieder glattgestellt würden. Gewinnmitnahmen bei den einen, Erreichen der Einstandspreise vielleicht bei 11.900 Punkten bei den anderen. Oben stören also Abgaben und auch international seien deutsche Aktien im Moment „nicht mehr erste Wahl".

Typisch für den Kummer der internationalen Fondsmanager ist folgende aktuelle Analyse (kurz zusammengefasst): Handelskonflikte, die italienische Schuldendynamik, der Brexit, Spannungen mit Saudi-Arabien und steigende Ölpreise – die Liste möglicher Auslöser für die Volatilität ist lang. Der Anstieg der 10-jährigen US-Treasury-Rendite auf bis zu 3.25 Prozent gilt als der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In einem Umfeld, in dem die großen Zentralbanken langsam die Liquidität abbauen und die Leitzinsen erhöhen, wird eine weitere Verschärfung der finanziellen Bedingungen von Marktakteuren mit erhöhter Nervosität aufgenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Aktien und Unternehmensanleihen relativ ambitioniert gehandelt werden. Trotzdem ist von Baisse- oder gar Crash-Angst (bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen) nichts zu erkennen. Im Gegenteil, nicht wenige Strategen sehen insbesondere an der Wall Street weitere Kaufchancen – umso mehr bei anhaltenden Abwärtsbewegungen der Kurse. Europäische Aktien tauchen dagegen kaum in den Empfehlungslisten auf.

Das sieht die Deutsche Bank anders, die gestern eine durchaus zuversichtliche Perspektive skizziert hat: Trotz der politischen Risiken und der getrübten Anlegerstimmung ist in der Breite bisher noch kein negativer Einfluss auf die Erwartungen der Unternehmensgewinne sichtbar. Die Revisionen der Gewinnprognosen des Stoxx 600 für das laufende und das kommende Jahr sind über die letzten sechs Monate nahezu unverändert. Für 2018 erwartet die Analystengemeinde ein durchschnittliches Wachstum der Gewinne pro Aktie von 7,8 Prozent, für 2019 einen Anstieg um 9,3 Prozent. Resümieren die Strategen: Daher dürften sich Anleger bis zum Jahresende und darüber hinaus wieder stärker europäischen Unternehmen zuwenden. Die Deutsche Bank sieht für die Börsen in der Alten Welt Aufholpotenzial. Für entsprechend risikobereite Anleger könnten europäische Aktien daher ein interessanter Bestandteil des Depots darstellen – zumal sie aktuell noch günstig bewertet sind: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate liegt im Stoxx 600 mit 12,9 derzeit deutlich unter dem 5-Jahres-Durchschnitt von 14,5.

„Entsprechend risikobereit“ sollte also sein, wer jetzt schon seine Bestände wieder aufstockt. Ich möchte ergänzen, dass es sich in Europa wie in Deutschland anbietet, selektiv als Stockpicker zu engagieren, weil sich Branchen und Einzelwerte je nach ihrer fundamentalen Lage weiter uneinheitlich entwickeln dürften.

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!