Konjunktur und Börse (2): Die Prognosen werden konkreter – und mutiger

14.11.18

Die einen werden zustimmend nicken, andere ablehnend den Kopf schütteln – die Akzeptanz von Börsenprognosen hängt naturgemäß auch von der eigenen Position ab. Heutzutage sind Vorhersagen grundsätzlich schon deshalb in Frage zu stellen, weil mehr Markteinflüsse denn je aufeinandertreffen. Erwartungsgemäß beginnt jetzt die Prognosewelle für das kommende Jahr durch die großen Banken und Investmentgesellschaften. Mein erster Eindruck: Es herrscht durchaus Zuversicht für den Dax, wenn auch mit einer gehörigen Portion Vorsicht. Von Crash-Warnungen bisher keine Spur. Deutsche Aktien können nach stärkeren Schwankungen bis Ende 2019 höher liegen als jetzt.



Der heutige Mittwoch reicht schon aus, um die Anleger durch die krisenhaften Nachrichten zu irritieren. Italien: Der Konflikt mit der EU in der Verschuldungsfrage spitzt sich zu. Brexit: Kommt jetzt tatsächlich die Einigung? Deutschland: Wirtschaft im dritten Quartal geschrumpft. Ölpreis: Der Rückgang signalisiert Überangebot und geringeren Bedarf durch Konjunkturschwäche. Andererseits kann man die aktuelle Meldungslage auch anders gewichten und sich an den eher positiven Konjunkturprognosen 2019 für die Weltwirtschaft orientieren.

Die soeben veröffentlichten ZEW-Konjunkturerwartungen liefern Ihnen, geschätzte Anleger, auch kein klares Stimmungsbild. Der Indikator hat sich zwar geringfügig verbessert, befindet sich aber nach wie vor sehr deutlich im negativen Bereich und unterhalb seines langfristigen Durchschnitts. Die Bewertung der aktuellen konjunkturellen Lage für Deutschland hat sich im November sogar ganz erheblich verschlechtert.
Seit gestern liegen mehr oder weniger konkrete Prognosen namhafter Häuser vor (DZ Bank, DekaBank, Deutsche Bank), die inhaltlich weitgehend übereinstimmen. Hier wesentliche Auszüge. Schreibt die Deka: In den vergangenen Wochen ist an den Börsen eine Ernüchterung eingetreten („Sie kam vielleicht etwas heftiger als von uns erwartet“), aber es gab auch viele gute, zum Teil altbekannte Gründe: Die fortschreitende Straffung der Geldpolitik der großen Notenbanken, die weltweite Eintrübung der Stimmungsindikatoren, Quartalsberichte der Unternehmen mit vorsichtigeren Ausblicken, und dazu noch die vielen lokalen Krisen, Risiken und Konflikte. Diese Faktoren, vor allem die straffere Geldpolitik und die schwächere Konjunktur, werden auch 2019 erhalten bleiben.

Dabei hat eine solche Korrektur an den Aktienmärkten durchaus ihr Gutes: Die Bewertungen sind in den USA wieder auf vernünftigere Niveaus zurückgegangen und in Europa sogar im langfristigen Durchschnitt als günstig anzusehen. Das gilt allerdings nur, sofern der konjunkturelle Aufschwung weitergeht und im Zuge dessen auch die Unternehmensgewinne weiter steigen. Damit konzentriert sich wieder einmal alles auf die Frage: Wie lange wird dieser schon recht alte globale Aufschwung noch erhalten bleiben?

Die Antwort des DekaBank-Research lautet: Wahrscheinlich ziemlich lange, allerdings mit verringertem Tempo. Und dieses geringere Tempo macht derzeit und zumindest noch im ersten Halbjahr 2019 den Märkten zu schaffen. Dabei muss aber eins bedacht werden: Wo wir auch hinschauen, sehen wir abnehmende Wachstumsraten, wenngleich keine Rezessionsgefahren. In den USA wird die Schubwirkung der lockeren Finanzpolitik geringer, die chinesische Dynamik wird durch die US-Zölle vermindert, Deutschlands Wachstum leidet unter der temporären Schwäche der Automobilindustrie, und die rumpelnden Brexit-Verhandlungen sind auch nicht gerade wachstumsförderlich. Zugleich bleiben jedoch fast überall die Inflationsraten niedrig und steigen nur langsam an, sodass die Notenbanken ihren bedächtigen Ausstieg aus der Krisenpolitik fortsetzen können. Das bedeutet, die Geldpolitik wird nur dann zum Rezessionsauslöser, wenn die Leitzinsen zu weit in den restriktiven Bereich angehoben werden. Nach derzeitiger Lage der Dinge wird das aber so schnell nicht passieren.

In diesem Umfeld ist Vorsicht geboten. Der Aufschwung wird wackliger und damit auch die Gewinnperspektiven der Unternehmen. Insofern rechnen wir für die kommenden Monate mit einer eher durchwachsenen Kursentwicklung an den Börsen. Zugleich ist bei sicheren festverzinslichen Geldanlagen weiterhin kein Blumentopf zu gewinnen. Damit richtet sich der Fokus eher auf den mittel- und langfristigen Horizont. Hier bleiben Aktien mit Blick auf die zu erwartende Rendite ein wichtiger Pfeiler im Portfolio. Fazit der Deka: „Wenngleich die Aktienmärkte zwischenzeitlich durchaus weiter zur Schwäche neigen können, sehen wir solche Phasen eher als Gelegenheiten zum Positionsaufbau.“

Das Resümee ihrer Jahresprognose klingt bei der DZ Bank ganz ähnlich: „Die Aktienmärkte werden in diesem Umfeld kräftig schwanken, jedoch im Jahresverlauf Zuwächse verzeichnen. Der Dax steigt auf 13.300 Punkte bis Ende 2019.“ Deutsche-Bank-Chefstratege Ulrich Stephan erwartet per Saldo ein „positives Jahr“ mit einem um „mindestens 5 Prozent“ steigenden Dax.
Ich würde es gerne glauben, was Banken-Bullen vorhersagen, doch fehlt mir noch solcher Mut.

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