Konjunktur und Börse (3): Selektiv kaufen und Geduld mitbringen

16.11.18

An den Börsen und in ihrem Umfeld hat sich wenig verändert. Analysten und Händler beschreiben mit dem üblichen Jammern die anhaltende Unsicherheit. Dazu sei an das erinnert, was erfahrene Investoren natürlich längst wissen: Wäre alles immer vorhersehbar, gäbe es zwar keine Überraschungen, es gäbe aber auch keine Risikoprämie zu verdienen. Nach wie vor lässt sich auch beobachten, dass trotz aller aktuellen Sorgen keine Zweifel an der langfristigen Attraktivität der Aktienanlage herrschen.



Ob noch in den verbleibenden Wochen 2018 mit einer kraftvollen Erholung der Aktienkurse gerechnet werden kann („Jahresschluss-Rallye“), wird von Analysten unterschiedlich beurteilt. Es mangelt aber nicht an Mut, den Anlegern gezielte Käufe zu empfehlen. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die bisherige Korrekturphase das Kursniveau schon auf ein attraktives Niveau zurückgeführt hat – insbesondere in Europa.

Dazu kommt die Neigung, auf Megatrends in der Wirtschaft hinzuweisen, die dem Anleger längerfristig besondere Chancen bieten können. Deshalb werden selektive Käufe in entsprechenden Themen nahegelegt: Immer häufiger beschäftigen sich internationale Fondsmanager zum Beispiel mit dem Thema Nachhaltigkeit. Auffallend auch die zunehmende Betonung der Chancen der Infrastrukturbranchen. Unverändert großes Interesse gilt Spezialchemie, Pharma, Medizintechnik und überhaupt den vielversprechenden Unternehmen im weiten Gebiet Gesundheit. Dazu kommen Empfehlungen wie Dividendenwerte (bevorzugt kleinere Unternehmen) und Wandelanleihen.

Wie aber wird die aktuelle Stimmung von den Sentiment-Analysten an der Börse Frankfurt beschrieben? Eigentlich sind die Probleme, mit denen sich die Finanzmärkte während der vergangenen Tage beschäftigt haben, nicht neu. Aber sei es nun der ungelöste Haushaltsstreit Italiens mit der EU oder auch die Brexit-Verhandlungen – all dies sind Unsicherheitsfaktoren, die letztlich auch die Aktienmärkte hierzulande belasten. Und so wundert es auch nicht, dass der Dax nicht so recht vorankommen will. Dies mag dazu beigetragen haben, dass internationale Investoren nach der jüngsten Umfrage von BofA Merrill Lynch Aktien der Eurozone in ihren Portfolios kaum mehr übergewichten wollten: Netto gerade 1 Prozent der Investoren taten dies noch – das ist das niedrigste Niveau seit Dezember 2016.

Auch ein Teil der von Goldberg & Goldberg in Frankfurt wöchentlich befragten institutionellen Investoren hat dem Dax mittlerweile den Rücken gekehrt. Denn deren Optimismus, gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index, hat sich um 19 Punkte auf einen Stand von immer noch +23 Punkten zurückgebildet. Dabei haben sich fast 10 Prozent aller Befragten von den Bullen direkt auf die Seite der Bären geschlagen.

Ist die Börsenparty bald zu Ende? Dr. Manfred Schlumberger, Vorstand des Vermögensverwalters StarCapital, sieht in seinem Marktkommentar gute Chancen auf eine Jahresend-Rallye an den Aktienmärkten, denn allein in den USA stehen nach dem Ende der Bilanzsaison noch über 350 Milliarden US-Dollar an Aktienrückkäufen bis zum Jahresende aus. „Der Börsenzyklus tritt in seine Endphase, die historisch von hoher Volatilität, insbesondere auch nach oben, geprägt ist“, so Schlumberger. Die Börsenparty sei noch keineswegs zu Ende!

Der Verlust von mehr als 10 % an den US-amerikanischen und von fast 20 % zum Jahreshoch an der japanischen und den europäischen Aktienmärkten könnten entweder als Anzeichen einer aufziehenden Baisse an den Weltbörsen oder als ein Atemholen in einem sehr reifen, fortgeschrittenen Börsenzyklus seit 2009 gedeutet werden. Grundsätzlich, so Schlumberger, sei in der Vergangenheit kein Börsenzyklus an Altersschwäche gestorben, sondern „in der Regel von Notenbanken ‚ermordet‘ worden“. Das Anziehen der Inflation, ausgelöst durch eine Kettenreaktion von starkem Wachstum, über steigende Löhne und Rohstoffpreise, habe in der Vergangenheit die Notenbanken zu Leitzinserhöhungen gezwungen, die zum Einbrechen der Konjunktur führte. Einer beginnenden Rezession ging historisch stets ein Börseneinbruch voraus, so der Portfoliomanager. Die als Frühindikatoren der Wirtschaft geltenden Einkaufsmanagerindizes deuten weltweit auf eine leichte Abschwächung gegenüber dem Vorjahr hin. Das Auslaufen der positiven Konjunktureffekte der US-Steuerreform im kommenden Jahr lasse eine wirtschaftliche Verlangsamung erwarten.

Die Ausblicke der Unternehmen werden weltweit weniger optimistisch und würden in der Kombination mit steigenden Zinsen eine aktuell gefährliche Mischung für die Aktienmärkte ergeben, so Schlumberger. Außerhalb der USA seien steigende Zinsen jedoch bislang nicht zu sehen. Mit Kurs-Buchwert-Verhältnissen in Europa, Japan und den Schwellenländern, die weit unter den Niveaus vor den beiden letzten Börseneinbrüchen 2000 und 2008 lägen, sei noch kein Ende des laufenden Haussezyklus zu erwarten.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!