Konjunktur und Börse: Anleger müssen mit Prognosekorrekturen leben

10.11.18

Gelassen, aber wachsam zu bleiben! Das empfehle ich privaten Anlegern nach wie vor – trotz der Skepsis, die im Laufe der zurückliegenden Woche wieder aufflammte. Aber wie ist die vorherrschende Stimmung an der Börse? Gar nicht einfach zu beschreiben, weil kurzfristig wechselnd. Außerdem geht es nicht mehr nur um Geldpolitik, Handelsstreit und unberechenbare geopolitische Einflüsse, sondern zunehmend um die fundamentalen Faktoren für den Aktienmarkt.


Es ist Prognosesaison. Damit gibt es neue Prognosen und Revisionen der bestehenden Vorhersagen von Volkswirten und Analysten. Naturgemäß finden neue Schätzungen zur Entwicklung der Konjunktur und der Unternehmensgewinne große Beachtung. Dennoch lege ich Ihnen nahe, die neuen Zahlen insbesondere zum Wirtschaftswachstum mit ihren Auswirkungen auf die Börsen nicht überzubewerten, geschätzte Anleger. Ein einfacher Grund: Volkswirtschaftlichen Vorhersagen sind ein kontinuierlicher Prozess, sie werden immer revidiert und korrigiert. Deshalb hat auch die jüngste Zurücknahme der deutschen Wachstumsprognosen die Börse zunächst kaum beeindruckt.

Bis zur Wochenmitte war die Stimmungslage unter den Profis sogar bemerkenswert gut. Trotz fehlender Einstiegschancen ist der Optimismus der professionellen Investoren auf ein Zweijahreshoch gesprungen. 9 Prozent haben Aktien gekauft, 15 Prozent ihre Short-Positionen geschlossen. Der entsprechende Sentiment-Index der Börse Frankfurt stand am Mittwoch mit +42 Punkten weit im optimistischen Bereich. Das abgehakte US-Wahlrisiko machte Verhaltensökonom Joachim Goldberg als Ursache aus. Unterm Strich bezeichnet Goldberg die derzeitige Stimmung als euphorisch. Allerdings funktioniere der Sentiment-Indikator diesmal nicht unbedingt als Kontraindikator. Einen sofortigen Einbruch des Dax erwartet der Analyst nicht. Allerdings dürften einer weiteren Erholung ab 11.800 Punkten zunehmend Gewinnmitnahmen entgegenstehen. Und problematisch könnte es im Falle von größeren Rückschlägen unter 11.400 Punkten werden, denn dann fehle die stützende heimische Nachfrage, weil so viele schon im Markt engagiert seien.

Die Einbettung unserer Wirtschaft in die internationalen Entwicklungen sind an den zahlreichen Äußerungen deutscher Topmanager und Wirtschaftswissenschaftler gut abzulesen. Wegen des Brexit und der internationalen Handelskonflikte blicken die Wirtschaftsweisen pessimistischer auf die Konjunktur. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 1,6 Prozent und 2019 nur noch um 1,5 Prozent wachsen, erklärte der Sachverständigenrat in seinem Gutachten für die Bundesregierung. „Aufgrund der Handelskonflikte, Produktionsproblemen in der Automobilwirtschaft und zunehmenden Kapazitätsengpässen ist mit einer Abschwächung des Wachstums zu rechnen”, erklärte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Bislang hatten die fünf Ökonomen ein Plus von 2,3 und 1,8 Prozent für dieses beziehungsweise nächstes Jahr veranschlagt. 

Mit ihrer gesenkten Prognose sind sie nun sogar pessimistischer als die Bundesregierung, die für beide Jahre 1,8 Prozent vorhersagt. „Die deutsche Volkswirtschaft steht vor großen Herausforderungen”, so die Wirtschaftsweisen. Auf internationaler Ebene sei dies vor allem die „ungewisse Zukunft der multilateralen globalen Wirtschaftsordnung” und auf nationaler Ebene die Alterung der Gesellschaft. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, denn die Gefahren sind unzweifelhaft und dabei gewiss nicht gering!
Gleichzeitig lenken die Weisen den Blick auch auf den Zusammenhang mit der Geldpolitik: „Es besteht die Gefahr, dass die geldpolitische Wende zu spät kommt”, heißt es in dem Gutachten der fünf Top-Ökonomen. Die Ausrichtung der EZB sei trotz eines deutlichen Inflationsanstiegs noch immer zu locker. Um den Euro-Raum dauerhaft zu stabilisieren, müsse die EZB den Übergang zu einer „normalen Geldpolitik” bewerkstelligen, mahnten die Wirtschaftsprofessoren um den Essener Ökonomen Christoph Schmidt.

Die Inflation liegt bereits fünf Monate in Folge über der EZB-Zielmarke, die Preise in Deutschland zogen zuletzt mit 2,5 Prozent sogar so stark an wie seit gut zehn Jahren nicht mehr. Trotz der in vielen EU-Staaten anziehenden Teuerung gilt eine Zinserhöhung der EZB noch in der Amtszeit von Zentralbank-Chef Mario Draghi nicht mehr als ausgemachte Sache. Der Italiener führt die EZB noch bis Ende Oktober 2019. Seit März 2016 hält er den Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Noch einmal mein Rat: Sichern Sie Ihre Aktienpositionen ab, realisieren Sie vielleicht einen Teil Ihrer Gewinne, aber steigen Sie nicht überängstlich aus! Das kommende Jahr dürfte eben auch wegen Konjunktur und Geldpolitik spannender und schwieriger werden als 2018.

Machen Sie also mit – und machen Sie’s gut!