Börsenstimmung: Aktienmärkte entwickeln sich zunehmend uneinheitlich

10.05.19

Die Aktienmärkte halten sich bisher bemerkenswert gut, aber es fällt zunehmend schwer, eine überzeugende Einschätzung der weiteren Perspektiven abzugeben. Das ist nicht allein dem amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt geschuldet. Momentan könnte ich mir gut vorstellen, dass sich die Börsen weiter (und stärker) uneinheitlich entwickeln, wobei die Volatilität zunimmt. Interessant ist dabei die Beobachtung der Stimmungsindikatoren.



Nehmen wir zunächst den vor einer Woche veröffentlichten Sentiment-Anzeiger von Sentix, ein besonders früher Indikator. Danach verbessert sich im Mai die konjunkturelle Lage global, aber auch in Europa weiter. Rezessionsängste treten damit nachhaltig in den Hintergrund, was sich an den verbesserten Lagewerten in allen betrachteten Regionen zeigt. Auch für die Eurozone wurde eine weitere Stabilisierung vermeldet. Der Gesamtindex steigt auf 5,3 Punkte (von -0,3). Die Lagebeurteilung klettert von 3,8 auf 11,0 Punkte.

Die jüngste Entwicklung der Sentiment-Indices von der Börse Frankfurt zur Wochenmitte vermittelte dann den Eindruck, dass der Stimmungs-Turnaround von "bullisch" nach "bärisch" vielen Akteuren nicht schwergefallen ist. Dazu hat neben dem Absicherungsgedanken natürlich auch die Tatsache beigetragen, dass man mit den zwischenzeitlichen Jahreshöchstkursen als Verkäufer von Aktien ohnehin in einer psychisch komfortablen Lage war. Wer womöglich zu guten Kursen verkauft hat, fühlt sich durch die Entwicklung der globalen Nachrichtenlage noch zusätzlich in seiner Entscheidung bestätigt. Dies gilt insbesondere für die institutionellen Anleger, die auch schon zuvor mehrheitlich trotz Erreichen neuer Jahreshöchststände im Dax wenig Zeichen von Euphorie zeigten und sich teilweise bereits Wochen zuvor auf eine Abwärtskorrektur eingerichtet hatten.

Was leiten die Frankfurter Verhaltensforscher davon ab? Weil der Börse Frankfurt Sentiment-Index nunmehr auf dem niedrigsten Stand seit dem 24. Oktober 2018 notiert (bei den Privatanlegern muss man sogar bis zum 27. Juni zurückgehen), ist der Markt nach unten gar nicht so schlecht abgesichert. Mit anderen Worten: Für viele Akteure wären weitere Kursrückgänge sogar willkommen, um diese Absicherungen mit Gewinn glattstellen zu können. Sollte es indes (etwa im Handelskonflikt) zu positiven Überraschungen kommen, müssten die Pessimisten von heute, möglicherweise im Rahmen einer Short-Squeeze, ihre Engagements ganz schnell wieder zurückdecken. Beide Szenarien sind aus heutiger Sicht für den Dax nicht wirklich ungünstig – sofern der Markt nicht noch zusätzlich durch ausländische Kapitalabflüsse belastet wird.

Ein komplexes und instabiles Stimmungsbild. Strategen der Banken liefern dazu entsprechend unterschiedliche Interpretationen und Anlageempfehlungen. Beispielsweise interessante Vergleiche der Deutsche-Bank-Aktienexperten vom Wochenende zum Thema: Wie gestresst sind die Aktienmärkte wegen des Handelskriegs zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt? Ein Blick auf die wichtigsten Indizes kann ganz schön nervös machen: Im Mai reichen die Verluste bisher von gut 7 Prozent in Shanghai, 5 Prozent in Südkorea, 7 in der Türkei, 3 bis 4 Prozent in Europa bis hin zu 2,5 Prozent in Trump-Land. Das Angstbarometer VIX (CBOE Volatility Index), das die Markterwartung für kurzfristige Aktienkursschwankungen abbildet, stieg von 13 Ende April auf über 19. Zum Vergleich: Der Fünf-Jahres-Durchschnitt liegt bei 15. Unser Angstindikator, der VDax-New, ist übrigens ähnlich geklettert.

Man kann dies zusammenfassend als ein unruhiges, ungemütliches Bild beschreiben. Aber es bleibt dabei: keine Panikstimmung, nirgendwo. Also doch kein allzu starker Stress für Sie, geschätzte Anleger. Und es gibt viele Möglichkeiten, darauf zu reagieren – was im Einzelnen, sollte jeder für sich selbst gemäß seiner Ausgangslage und Risikobereitschaft herausfinden.
Relative Vorsicht ist aktuell gegenüber unseren heimischen Werten angesagt. Denn europäische Aktien sind weit gelaufen, vielleicht zu weit. Die Performance des Stoxx 600 mit bisher 13,5 Prozent im bisherigen Jahresverlauf kann sich sehen lassen. Die Modelle der Deutsche-Bank-Strategen zeigen jedoch, dass unser Markt gemessen an den Fundamentaldaten eine deutliche Erholung des europäischen Wachstums vorwegnimmt. Dies erklärt auch die Outperformance zyklischer Werte gegenüber defensiven Titeln. Das reduziert die Chancen auf weitere Kurssteigerungen im Jahresverlauf.

Meine Empfehlung gestern wie heute: Bleiben Sie vorsichtig und wachsam, aber steigen Sie nicht aus. Nutzten Sie die schwierige Phase zur Überprüfung Ihres Depots: Bei welchen Aktien bieten sich Gewinnmitnahmen und Tauschoperationen an (beispielsweise Wall Street statt Europa), wo kann man noch einsteigen, wo sollten Positionen noch gegen Kursverluste abgesichert werden? Bleiben Sie bei alldem cool!

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!