Keine Angst, keine Euphorie, keine Ahnung

16.01.20

Manchmal entwickelt sich ein Börsenjahrgang so (oder so ähnlich) wie der Januarverlauf. Darauf wetten würde ich jedoch nicht. Nach gut zwei Handelswochen 2020 präsentieren sich die führenden Aktienmärkte nach wie vor in guter Kondition. Die Indizes pendeln um ihre historischen Höchststände oder unweit davon. Und stimmungstechnisch sind alle gängigen Elemente zu beobachten (siehe Headline). Was fehlt, ist eine klare Mehrheitsmeinung der Profis – mit einer Ausnahme: Vor diesem Hintergrund erscheint ein rein passives Investment, das einfach die großen Börsenindizes repliziert, wenig erfolgversprechend. Vielmehr sind Investoren gut beraten, sich in den kommenden Quartalen einer aktiven Titelselektion zu widmen beziehungsweise auf das Know-how von aktiven Portfoliomanagern zu vertrauen, schreibt mir heute ein internationaler Vermögensverwalter. Ähnliches war auch schon in den vergangenen Tagen zu lesen.



Was die solide, inzwischen aber ziemlich müde Kursentwicklung signalisiert, wird durch jüngste Stimmungserhebungen bestätigt: Man bleibt zwar vorsichtig, ist aber nicht ängstlich oder andererseits euphorisch – die Profis wissen nicht, wo es in den kommenden Monaten langgeht. Die zu Jahresanfang erkennbare Vorsicht hat sich für einige Akteure nicht ausgezahlt, da es statt massiver Gewinnmitnahmen ja zu Käufen in den ohnehin steigenden Markt gekommen ist. Das könnte teuer werden, befürchten Sentiment-Beobachter an der Börse Frankfurt: Wenn Vorsicht zu teuer und durch die Marktentwicklung immer wieder bestraft wird, dann kann dies in der Folge zu einer erzwungenen Sorglosigkeit führen. Allerdings zeigen die Ergebnisse der aktuellen Stimmungsuntersuchung, dass noch längst nicht das Gros der Börsianer diszipliniert die Konsequenz aus dem jüngsten Kursanstieg des Dax gezogen hat. Offenbar hofft man mancherorts insgeheim doch noch auf eine angemessenen Abwärtskorrektur des Börsenbarometers, um zumindest nicht die derzeit hohen Kurse bezahlen zu müssen. Und man kann sich gut vorstellen, dass manch schiefliegender, auf Absicherung bedachte Investor froh wäre, noch einmal den Einstandspreis der Vorwoche wieder zu sehen, der zwischen 13.050 und 13.150 liegen dürfte.

Aber wo können Privatanleger in der Höhenluft noch investieren? Konjunkturoptimisten bekommen allmählich wieder Zulauf – sie neigen mutig zur Bevorzugung von Wachstumswerten (USA, Asien). Die eher Vorsichtigen unter den Strategen machen sich dagegen für defensive Aktien, also Value-Werte stark. Die Bewertungen der gängigen Börsenindizes sind nicht gerade niedrig. Im Schnitt werden Standardwerte in den USA mit etwa dem 23-fachen der aktuellen Gewinne bewertet, in Europa mit dem 18-fachen. Diese Durchschnittsbewertung kaschiert allerdings eine deutliche Divergenz. Sogenannte „Wachstumswerte“ werden mit etwa dem 27-fachen der Gewinne bewertet,
während „Values“, also Substanzwerte, sich durch moderates Wachstum und stetige Dividenden auszeichnen, aktuell nur mit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14 aufweisen. Davon leiten manche Fondsmanager ab, dass die für Anfang/Mitte 2020 erwartete leichte Erholung des Wirtschaftswachstums eher für Value-Aktien spricht.

Letztlich müssen Sie sich selbst entscheiden, geschätzte Anleger. Ich bekräftige meinen Rat, nach dem Sowohl-als-auch-Prinzip Growth und Value zu mischen. Sinnvoll erscheint mir auch, das übergeordnete Thema „Nachhaltigkeit“ in den Mittelpunkt zu stellen: Die Nachrichtenlage wird tagtäglich (wie nie zuvor!) durch Meldungen über Klimawandel und Umweltschutz, durch entsprechende politische Pläne und Maßnahmen sowie durch unternehmerische Projekte und Innovationen dominiert. Nachhaltigkeit steht am Anfang, eine große Aufgabe auch für die Börse zu werden!