Dem Dax besser nicht hinterherlaufen

06.02.20

Headline von heute früh: „Die Aktienmärkte sind im Erholungsmodus.“ Das ist eher untertrieben, denn unser Dax tut seit ein paar Tagen so, als hätte er keine Atemnot. Der Wiederaufschwung von einem Niveau unterhalb der 13.000er Marke ist nachvollziehbar. Inzwischen riecht unser Leitindex aber schon wieder die Nähe des historischen Gipfels. Gut möglich, dass er (vielleicht sogar heute) noch höher klettern wird. Ich möchte allerdings – obwohl grundsätzlich unverändert bullisch gestimmt – vor übertriebener Euphorie warnen.



Der erhobene Zeigefinger kommt nicht nur aus der Wirtschaft sondern auch von wissenschaftlichen Beobachtern. Ein Dämpfer des chinesischen Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt durch das Coronavirus würde das Wachstum in Deutschland um 0,06 Prozentpunkte reduzieren, sofern die Epidemie ähnlich verläuft wie die SARS-Epidemie im Jahr 2003. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Berechnungen des Ifo-Instituts. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Corona-Epidemie sogar schlimmer ausfallen könnte. In diesem Fall würde die deutsche Wirtschaft auch stärker beeinträchtigt. Größere Produktionsausfälle in der chinesischen Industrie könnten die Auswirkungen des Coronavirus auf die deutsche Konjunktur spürbar verstärken, weil chinesische Industriegüter für die Wertschöpfungsketten deutscher Industrieunternehmen eine große Rolle spielen.

Deshalb halte ich so manche aktuelle Analystenstimme für Zweckoptimismus – zum Beispiel Sätze wie: „Die Hoffnung auf eine rasche Eindämmung des Coronavirus gibt deutschen Aktien erneut Auftrieb.“ „Außerdem hebt die Halbierung chinesischer Strafzölle auf bestimmte US-Waren die Stimmung der Anleger.“ „Investoren zeigen sich zuversichtlich, dass die Weltwirtschaft sich relativ schnell von den negativen Effekten der Epidemie erholen wird.“ Nein, die Virus-Epidemie, die längst zur Pandemie geworden ist, sollte man nicht so locker abtun. Es gibt wirklich keinen Anlass, seine Vorsicht als Anleger aufzugeben. Dem steht die Beobachtung gegenüber, dass viele große Investoren noch nicht wieder eingestiegen sind, sondern weiter zuschauen. Aus diesem Kreis kommt jetzt die Nachfrage, weil die Sorge etwas zu verpassen täglich zunimmt.

Das wird auch durch den neuen Sentiment-Wochenbericht der Verhaltensforscher an der Börse Frankfurt bestätigt: Normalerweise würde ein Optimismus, wie wir ihn heute bei den institutionellen Anlegern vorfinden, zu denken geben, zumal der Sentiment-Index den höchsten Stand seit Ende November 2018 erreicht hat. Trotzdem im historischen Vergleich noch keine Euphorie – auch weil gut ein Drittel (!) der Institutionellen immer noch neutral eingestellt sind. Damit ergibt sich ein nicht
unerhebliches Reservoir an potenzieller Nachfrage, die dem Börsenbarometer im Falle von Rücksetzern eine Stütze sein dürfte. Bleiben Sie, geschätzte Anleger, wachsam – aber rennen Sie dem Dax nicht hastig hinterher!