Verkauf im Mai und bleib trotzdem dabei!

03.05.20

Es fällt auf, dass die alljährlichen Sell-in-May-Artikel diesmal nur spärlich gestreut werden. Vielleicht gut so, denn ich halte sowieso nichts von pauschalen Empfehlungen und betone immer wieder, dass es den Anleger nicht gibt – nicht geben kann, weil Ausgangslage, Zielsetzung und Risikobereitschaft individuell weit auseinander gehen. Deshalb auch der vermeintliche Widerspruch in der heutigen Headline.



Über den alten Saisonvorschlag, im Mai zu verkaufen und erst mal von der Börse wegzugehen, lässt sich allerdings auch im Jahr der Corona-Katastrophe diskutieren. Befürworter und Gegner berufen sich dabei (wie so oft) auf unterschiedliche Langfrist-Statistiken. Machen aber derartige Börsenweisheiten überhaupt Sinn, wenn eine Pandemie mit ihren globalen Folgen alles überlagert? Jedenfalls sollten die Performancevergleiche der Aktienkurse früherer Jahre jetzt nicht Ihre Taktik bestimmen, geschätzte Anleger, denn wir wissen ja (noch) nicht, welchen weiteren Verlauf die Pandemie nehmen wird und wie tief ihre Spuren in den Unternehmen, Branchen und ganze Volkswirtschaften sein werden.

Festhalten möchte ich aber an der asiatischen Sowohl-als-auch-Philosophie anstelle des bei uns bevorzugten Entweder-Oder. Beispiel Aktien: Es gibt sicher nicht wenige Privatanleger, deren Depot momentan ein sattes Plus aufweist. Ärgerlich wäre es, wenn der Wertzuwachs wieder (voll) verlorenginge. Deshalb erscheint es sinnvoll – gerade jetzt und unabhängig vom Kalender –, zumindest einen Teil der Gewinne mitzunehmen. Den kann man sofort oder später in anderen Werten einsetzen, die mutmaßlich bessere Chancen bieten. Passend ist hier (was ich gerne bekräftige) die „Bisschen-Taktik“, nämlich nicht alles zu verkaufen oder zu investieren, sondern eben nur einen Teil zu handeln, um dabeizubleiben.

Das Sowohl-als-auch wird noch interessanter, wenn man die „Core-Satellite-Strategie“ fährt. Denn die nutzt bekanntlich mehrere Anlageklassen mit unterschiedlichem Anteil im Portfolio. Hier kann sich der Anleger beispielsweise von Anleihen oder bestimmten Aktienthemen trennen, um vorübergehend den Cash-Anteil zu erhöhen oder eine neue Anlageklasse als Satellit aufzunehmen.
Mein ganz persönlicher Rat: Ob baldiger Wiederaufschwung oder tiefe Rezession der Wirtschaft, ob Deflation oder Inflation bevorstehen – als Kernanlage („Core“) mit dem größten Portfoliogewicht bieten sich auch in Zukunft alternativ oder gemeinsam vor allem Aktien, Immobilien und Gold an.