Dax profitiert vom zunehmenden Mut zum Risiko

23.07.20

Die vergangenen Tage haben wieder einmal deutlich gemacht, wie schwer mutmaßlich kursrelevante Nachrichten und Anlegerverhalten in Einklang zu bringen sind. Wichtiger ist die Gesamtnote, die einem Aktienmarkt von den unterschiedlichen Anlegergruppen vergeben wird. Das hat oft wenig mit Logik zu tun, sondern mehr mit Psychologie und Herdentrieb. So ist die lange vernachlässigte deutsche Börse inzwischen zu einem internationalen Favoriten avanciert. Deshalb signalisiert der Dax immer wieder (auch zur Überraschung vieler Profis), dass er weiter nach oben will. Trotz einer ausgeprägten Polarisierung der Expertenmeinungen sind deutsche Aktien ungeachtet der unsicheren Nachrichtenlage in Mode gekommen – insbesondere aus zwei Gründen: zunehmende Risikobereitschaft und Kapitalzuflüsse aus dem Ausland.



Die Anleger, die unbekannten Wesen – gerade die jüngsten Stimmungserhebungen zeigen deutlich deren unterschiedlichen Verhaltensweisen. Das ist für Außenstehende nicht ohne weiteres zu begreifen. Beispielhaft hier Auszüge aus dem neuen Wochenbericht der Sentiment-Fortscher an der Börse Frankfurt: Zum einen ist die Bereitschaft zur Kapitulation bei vielen Pessimisten trotz der mittlerweile aufgelaufenen Buchverluste oder entgangenen Gewinne nach wie vor ausgesprochen gering. Auf der anderen Seite scheint auch bei den Optimisten der Appetit zu auf Gewinnmitnahmen erstaunlicherweise ebenfalls nicht ausgeprägt zu sein. Drittens: Obwohl sich die pessimistische Stimmung bei den institutionellen Investoren vertieft hat, konnte sich der Dax abermals befestigen. Da der Euro gegenüber dem US-Dollar ebenfalls im Vergleich zur Vorwoche einen deutlichen Gewinn verbucht hat, spricht vieles dafür, dass die Aktienmärkte hierzulande noch einmal von ausländischen Kapitalzuflüssen profitiert haben.

Und wer spricht von einer zweiten Pandemie-Welle oder einer vielleicht enttäuschenden Erholung der Weltwirtschaft? Aus Frankfurter Sicht vermittelt die Entwicklung der Sentiment-Indizes eine deutliche Polarisierung unter den Investoren. Zum einen die Pessimisten – fast doppelt so stark vertreten wie die Optimisten –, die eisern an ihrem skeptischen Ausblick festhalten, vermutlich auch aus der Überzeugung heraus, dass sich die Aktienmärkte angesichts der Covid-19-Krise zu weit von der fundamentalen Realität entfernt haben und eine Abwärtskorrektur längst überfällig sei. Auf der anderen Seite die Optimisten, die wahrscheinlich auch langfristig der Ansicht sind, dass der Aufwärtstrend der Aktienmärkte noch nicht ausgereizt und mindestens für ein neues Allzeithoch (bislang rund 13.795 Zähler) gut sein dürfte. Die derzeitige Konstellation ist damit im großen Bild nicht ungünstig für den Dax.

Auch an den jüngsten Sentiment-Indizes aus dem Hause Sentix lässt sich die Risikofreude ablesen. Und das, obwohl die seit Jahren dominante Präferenz für Dividenden, welche im Zuge des globalen Zinsverfalls bei den Anlegern Einzug gehalten hat, seit Ausbruch der Corona-Krise wie weggewischt ist. Nach dem Urteil der Verhaltensforscher kommt die sich wieder ausbreitende Risikofreude kalendarisch zur Unzeit: „Jeden Anflug von bullischem Sentiment sehen wir vor dem Hintergrund des nun für rund 60 Handelstage negativen Saisonprofils eher kritisch.“ Fazit: Die aktuelle Nachrichtenlage mit der Einigung der EU-Regierungschefs auf das viele milliardenschwere Corona-Hilfsprogramm könnte sich als Abschluss der rund drei Monate dauernden Aufwärtsentwicklung entpuppen.