Aktienrally nur mit Sicherheitsgurt fahren!

21.07.20

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich – der abgegriffene Spruch passt nicht zum ersten Mal auf das aktuelle Börsengeschehen. Viele brisante Fragezeichen, aber die Aktienkurse stürmen unverdrossen mit kurzen Verschnaufpausen weiter nach oben. Zu viele große und kleine Anleger mit zu viel Liquidität suchen hastig Kapitalanlagen – und finden in der Aktie die attraktivste Anlageklasse. Dabei stört es nicht, dass es auf alle kursrelevanten Fragen mindestens zwei (gegensätzliche) Antworten gibt. Das betrifft vor allem Corona, Konjunktur, Unternehmensgewinne, US-Wahl und Trump, Europa, USA oder Asien favorisieren, lieber Substanzwerte kaufen als die vorausgeeilten Wachstumsaktien. Immerhin haben es die Europäer jetzt geschafft, endlich wieder enger zusammenzurücken – das fördert internationales Ansehen und Kapitalzuflüsse aus dem Ausland, das gibt unseren Aktienmärkten Rückhalt.



Ein Beispiel für die konkrete Anlagetaktik: Kaum eine Diskussion wird unter Börsenprofis derzeit so heiß geführt wie die Frage, ob nach zehn Jahren Underperformance gegenüber Wachstumstiteln („Growth“) nun die Zeit von europäischen Substanzwerten („Value“) gekommen ist. Dazu bezieht heute Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, eine differenzierende Stellung: Für Value spricht, dass die Bewertungsdifferenz beider Gruppen zuletzt wegen der massiven Outperformance von Wachstumswerten noch angewachsen ist. Zudem sollten die Substanzsektoren Finanzen, Öl und Gas sowie Grundstoffe am stärksten zulegen, wenn die erwartete Konjunkturerholung eintritt, die Zinsen in Europa leicht steigen und der Euro zum US-Dollar weiter aufwertet. Auch liegen die Analystenerwartungen an die Quartalszahlen von Substanzwerten deutlich niedriger und könnten leichter übertroffen werden. Vor diesem Hintergrund hält der Deutschbanker eine kurzfristige Outperformance von Substanzwerten für wahrscheinlich. Langfristigen Anlegern rät er jedoch, strukturelle Herausforderungen der günstig bewerteten Branchen nicht außer Acht zu lassen. Substanzwerte mit positiven strukturellen Aussichten finden sich beispielsweise noch im Bereich Hardware-IT. Was fangen Sie damit an, geschätzte Anleger? Nicht nur bei diesem speziellen Beispiel plädiere ich für die asiatische Sowohl-Als-Auch-Philosophie anstelle des europäischen Entweder-Oder-Denkens: Also Aktien beider Typen wählen.

Wer bei der (mitunter gefährlich wirkenden) Rally mitfahren will, sollte in jedem Fall den Sicherheitsgurt anlegen. Das heißt, jede direkte Aktienanlage im Sinne einer kalkulierbaren Risikobegrenzung nur mit Verlustbremse eingehen! Dafür gibt es bekanntlich verschiedene Instrumente, insbesondere intelligente Ordertypen (Trailing Stop Loss). Für ängstliche Anleger eignet sich zudem mein „Bisschen-Ansatz“, also der vorsichtige, schrittweise Aufbau des Aktiendepots, bei dem jeweils nur ein Teil des verfügbaren Kapitals investiert wird.