Vorsicht, Aktienfans! Dow und Dax sind zwar gut erholt, aber noch nicht immun

28.07.20

Die Berichtssaison fürs zweite Quartal liefert bisher mehr positive Überraschungen als Enttäuschungen – und bestätigt damit die mutige Erholung der Aktienmärkte beiderseits des Atlantiks. Dabei sind die lang vernachlässigten europäischen Börsen wieder stärker ins Blickfeld internationaler Investoren gerückt. Überhaupt wird die Kursentwicklung zunehmend von den grenzüberschreitenden Kapitalströmen beeinflusst. Die Vordenker großer Investmenthäuser beschäftigen sich längst mit der Frage, wie es wohl in der Nach-Corona-Zeit weitergehen dürfte. Momentan sieht es zwar nicht nach einer Stimmungsbeeinträchtigung aus. Doch würde ich mich anlagetaktisch noch nicht festlegen und vorläufig weiter im kleinen Gang fahren.



Außerhalb der besonders pandemiegeschädigten Branchen und Unternehmen werden von der Wirtschaft wieder Begriffe wie „Optimismus“ und „Wachstum“ in den Mund genommen. Gute Nachrichten erneut vom Ifo-Institut: Nach dem erneuten Aufschwung des Geschäftsklima-Index kam heute die Meldung vom Anstieg der Exporterwartungen: „Unter den deutschen Exporteuren macht sich vorsichtiger Optimismus breit. Die Ifo- Exporterwartungen der Industrie sind im Juli von minus 2,2 auf plus 6,9 Punkte gestiegen. Die Erholung der Wirtschaft in vielen Ländern kommt der deutschen Exportwirtschaft zugute.“

Nur, wie lange und wo geht es weiter aufwärts? Das Research der AXA Investment Managers hat dazu eine vergleichende Betrachtung der wichtigsten Einflüsse auf die Märkte Amerikas und Europas gegenübergestellt mit dem bullisch klingenden Resümee: „Am Ende steht die Überzeugung, dass sich die Welt erholen wird.“ Der wichtigste Treiber der Märkte ist die grundlegende Überzeugung, dass sich die Welt erholen wird – sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die Corona-Pandemie. Daraus wird eine wichtige Begründung für die robust-feste Verfassung der Aktienmärkte abgeleitet: Diese weit nach vorne gerichtete, psychologische Komponente ist gleichermaßen der Grund, warum die Marktbewertungen und das aktuelle Momentum im Gegensatz zu den Risiken der Pandemie stehen.

Zwar sollten die Renditeerwartungen von Aktieninvestoren nicht zu Überheblichkeit führen. Die Wirtschaft hat einen deutlichen Einbruch erlitten, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die US-Präsidentschaftswahlen werden zu politischen Ungewissheiten führen, im kommenden Winter könnte die Ausbreitung des Virus wieder zunehmen. Noch ist nicht absehbar, welche Auswirkung die Pandemie auf die Globalisierung haben wird, allerdings seien all dies keine neuen Erkenntnisse. In den kommenden Monaten könnten der europäische Deal, ein fiskalischer Stimulus im Vorlauf zur US-Präsidentschaftswahl, ein Durchbruch bei der Impfstoff-Forschung und ein möglicher Rückgang des Infektionsgeschehens die Märkte als positive Faktoren stabilisieren.

Zusammengenommen sind das aber neue alte Fragezeichen, deren Beantwortung über die kurz- bis mittelfristige Stimmungs- und Kursentwicklung entscheiden werden. Wäre die Börse derzeit nicht so robust im Erholungsmodus, müsste man eine heftige Reaktion auf die Pandemiezahlen der vergangenen Tage befürchten. Dazu lieferten die Virologen vorhin die passende Warnung: Die Entwicklung der Corona-Infektionen in Deutschland und der Welt ist nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts nicht gut: „Die neueste Entwicklung macht uns allen im Robert-Koch-Institut große Sorgen", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz.

Wer dennoch momentan sein Aktiendepot weiter aufstocken möchte, dem rate ich zu vorsichtigen, schrittweisen Engagements. Den Vergleich zwischen Amerika und Europa kann man positiv abhaken, indem Sie, geschätzte Anleger, den Sowohl-als-auch-Ansatz realisieren: In diesem Fall können beide, Wall Street und Frankfurt, die Schwerpunkte sein. Und als Themen / Branchen bleiben die Hightech-Giganten auch in absehbarer Zukunft heiße Favoriten, zu denen Value-/Wachstumswerte aus dem Healthcare-Sektor (Pharma, Bio- und Medizintechnik) passen würden – auch unabhängig von den aktuellen Impfstoffspekulationen.