Langfristige Anleger können Zuschauer im Wahltheater bleiben

 08.10.20

Gehen Sie davon aus, geschätzte Anleger, dass das politische Theater in den Vereinigten Staaten bis zum Wahltermin 3. November (vielleicht mit Verlängerung bei unklarem Ergebnis) andauern wird. Die Börse lässt sich davon bisher nur wenig beeindrucken. Die sprachlich schlechte und inhaltlich fragwürdige Metapher „Politische Börse haben kurze Beine“ bezieht sich ohnedies vor allem auf das unmittelbare Umfeld von Wahlen. Langfristig spielt die Politik natürlich eine – wenn auch indirekte – Rolle, weil es einen engen Zusammenhang mit ökonomischen Entwicklungen gibt. Was bedeutet das für die Kapitalanleger?

Die Antwort setzt voraus, dass der Anleger ehrlich zu selbst seinen Anlagehorizont definiert – kurzfristig können Wahlkämpfe und -ergebnisse nämlich durchaus die Aktienmärkte beeinflussen. Wirklich langfristig betrachtet, also über Jahre hinweg, ergibt sich ein anderes Bild: Dann ist Gelassenheit angesagt, wie uns ein langfristiger Börsenrückblick lehrt. Einen interessanten Beitrag liefert dazu heute Grüner Fisher Investments. Darin heißt es: Tatsächlich lässt sich in der langfristigen US-Markthistorie eindeutig ablesen, dass Aktienmärkte niemals Präferenzen für politische Ideologien entwickelt haben. Sowohl unter demokratischer als auch unter republikanischer Präsidentschaft haben sich die Märkte manchmal gut und manchmal schlecht geschlagen. Ein schönes Beispiel liefert der Bullenmarkt ab dem Jahr 2009: Er begann in der ersten Amtsperiode des Demokraten Barack Obama und setzte sich drei weitere Jahre in der ersten Amtsperiode des Republikaners Donald Trump fort – bis Corona dieser Entwicklung ein jähes Ende setzte. Vor Trumps Amtsantritt stieg das US-BIP in den zwölf Vorquartalen mit einer annualisierten Rate von 2,38 Prozent an, in den zwölf Quartalen nach seiner Wahl bis Corona erreichte dieser Wert 2,50 Prozent, blieb also nahezu identisch.

In einer wirtschaftlichen Wachstumsphase kümmert es die Märkte wenig, wer am politischen Ruder sitzt. Dann vermag es kein Präsident oder keine politische Partei, den grundlegend positiven Trend zu brechen. Allenfalls schaffen es die politischen Einflussfaktoren, kurzfristige Stimmungsschwankungen bei Marktteilnehmern zu erzeugen. Langfristig zeigen sich die Aktienmärkte weitgehend immun gegen politisches Theater und bilden dabei das Wachstum der Weltwirtschaft ab, über alle Krisen und wirtschaftlichen Rückschläge hinweg. Soweit die grundlegende Betrachtungsweise, der ich ausdrücklich zustimme. Daran ändert auch nichts, dass es zwischenzeitliche längere Ausnahmephasen geben kann und politische Umbrüche in manchen Nationen auch die Börsen stärker beeindrucken. Nicht auszuschließen außerdem, dass eine Pandemie wie Corona Spuren in den Börsen hinterlässt (zumindest in besonders betroffenen Branchen und bei Einzelwerten), wenn der Wachstumstrend nachhaltig unterbrochen wird.

Als Europäer kann man sich durch das Rennen um die US-Präsidentschaft genervt fühlen. Dennoch sollten Anleger, denen es nicht um kurz- bis mittelfristige Performance ihres Depots geht, das politische Tagesgeschehen in Washington D.C. möglichst ausblenden. Personen und Parteien üben keinen nachhaltigen Einfluss auf die langfristigen Renditen der Aktienmärkte aus. Langfristig wird es für Ihre Aktieninvestments nahezu irrelevant sein, liebe Leser, ob sich Donald Trump im Weißen Haus halten kann oder auch nicht. Und an den Aktien der Wall Street kommt man im Rahmen eines international sinnvoll diversifizierten Portfolios ohnedies nicht vorbei.