Corona, Konjunktur, Kurse – nichts ist sicher

 29.10.20

Verbunden mit oppositioneller Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung wurde heute im Parlament der Ruf nach „Sicherheit“ laut. Sicherheit für die Wirtschaft und die Bundesbürger. Aber gibt es die, kann es die überhaupt geben in Zeiten einer neuartigen Pandemie? Natürlich nicht. Nur haben gerade die in Verantwortung stehenden Politiker das permanente Problem, keine Schwäche zu zeigen und nicht zugeben zu dürfen, man sei wegen der weiteren Entwicklung unsicher. Für Börsianer ist das keine Herausforderung, sondern Alltag. Sie leben und handeln mit der Unsicherheit. Im Übrigen empfehle ich, die lauten politischen Meckerer sollten sich einmal mit dem Begriff „Sicherheit“ und seine Herkunft beschäftigen. Denn gerade im deutschsprachigen Raum wird die Bedeutungsentwicklung als kompliziert und nicht immer durchsichtig beschrieben. So ist die Möglichkeit zur klaren semantischen Unterscheidung zwischen den Begriffen Sicherheit und Schutz umstritten.

Wir alle leben in Unsicherheit und müssen sich um Sicherheit bemühen. Inwieweit das wem und wann gelingt, ist zunächst einmal unsicher. Die Reaktionen von Wirtschaft und Börse auf die zweite Infektionswelle und den jetzt beschlossenen Teil-Lockdown für November zeigen, dass die bisherige Gelassenheit zunehmend ernsten Sorgen weicht. Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Inzwischen wächst die Einsicht, dass es ein langer Aufholprozess für die deutsche Wirtschaft wird. So zeigt die heute veröffentlichte Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern mit rund 30.000 Unternehmensantworten, dass die Geschäfte der Unternehmen noch unter Vorkrisenniveau liegen: 61 Prozent der deutschen Betriebe rechnen mit einem Umsatzrückgang für das Gesamtjahr 2020. Die Antworten der Unternehmen zeigen ferner, dass der Aufholprozess Zeit in Anspruch nehmen wird: Knapp 40 Prozent der Betriebe erwarten eine Rückkehr zur Normalität frühestens im zweiten Halbjahr 2021 oder noch später.

Der Teil-Lockdown im November führt zu deutlichen Einbußen für die deutsche Wirtschaft, erklärt heute der Präsident des Kieler IfW-Instituts, Gabriel Felbermayr. Die Schäden dürften aber kleiner ausfallen als im März und April. Anders als bisher angenommen, wird vermutlich das Wachstum im vierten Quartal 2020 im Vergleich zum dritten Quartal zum Stillstand kommen, glaubt der Regierungsberater. Die ökonomischen Folgen konzentrieren sich, anders als im Frühjahr, vor allem auf die konsumnahen Bereiche.

Nicht leicht zu interpretieren sind die beiden Panels – institutionelle und private Anleger – im Rahmen der wöchentlichen Stimmungsumfrage (Mittwoch) durch die Sentiment-Analysten an der Börse Frankfurt. Die Börsianer setzen nämlich nicht unbedingt darauf, dass die Corona-Krise bald in den Griff zu bekommen sein wird. Vielmehr dürfte sich der Mut der neuen Optimisten auch aus der Erfahrung heraus

speisen, dass Dax-Korrekturen in den Monaten bisher immer wieder aufgefangen und stärkere Kurseinbrüche damit frühzeitig im Keim erstickt wurden. Man könnte auch von einer gelernten Sorglosigkeit sprechen.

Nun spricht einiges dafür, dass es dieses Mal nicht so kommen wird. Denn wenn der starke Dax-Einbruch höchstwahrscheinlich nicht auf das Konto heimischer Investoren geht, die mit ihren vermutlich nicht groß angelegten Käufen von der Marktentwicklung geradezu überrollt worden sind, muss man davon ausgehen, dass wahrscheinlich ausländisches Kapital in größerem Stil die Eurozone verlassen hat. Ein Indiz dafür könnte der ebenfalls schwächliche Eurokurs darstellen. Resümiert Verhaltensökonom Joachim Goldberg: „Damit hat sich die bereits in der Vorwoche festgestellte Belastung für den Dax deutlich vergrößert. Denn die Optimisten von heute werden dem Dax nicht allzu lange treu bleiben, wenn dieser nicht alsbald Kursgewinne liefert.“

So gesehen (und nicht nur wegen der jüngsten Kursentwicklung) macht es in meinen Augen Sinn, seine Aktienposition teilweise abzubauen, falls noch nicht geschehen, und zuzuschauen. Das gilt unverändert nicht (!) für langfristige Investments. Unverändert bleibt die Empfehlung, den Bestand an physischem Gold sukzessive weiter aufzustocken.