Was die Börsenprofis aktuell bewegt

 21.02.21

Am vergangenen Sonntag stellte ich hier fest: Aktien bleiben international gefragt. Doch liefert das inzwischen erreichte Kursniveau den Profis Diskussionsstoff: Spielen die Bewertungsaspekte momentan tatsächlich keine Rolle? Aus den Analysen und Prognosen deutscher und internationaler Asset Manager der letzten Tage habe ich einige typische Aussagen herausgepickt (ohne Namensänderung). Sie machen deutlich, dass unter den Profis bei allen Sorgen noch immer vorsichtiger Optimismus überwiegt.

Schreibt ein prominenter Frankfurter Stratege: Angesichts des Dax-Rekordhochs drängt sich die Frage auf, ob der deutsche Leitindex derzeit zu teuer bewertet ist. Ich denke nicht, jedoch ist die Bewertung erhöht: Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis wird der Dax derzeit um 24 Prozent, am Kurs-Buchwert-Verhältnis um 7 Prozent und an der Dividendenrendite um 15 Prozent teurer gehandelt als im jeweiligen Mittel der vergangenen 15 Jahre. Offensichtlich ist der Markt der Auffassung, dass die Analystenprognosen für Gewinne und Dividenden zu pessimistisch sind. Dieser Einschätzung schließe ich mich vor dem Hintergrund der hohen Konjunkturabhängigkeit deutscher Unternehmen und der guten Wachstumsaussichten im weiteren Jahresverlauf an. Da zudem die Aktienrisikoprämie – die Anleger für das Halten von Aktien gegenüber Bundesanleihen verlangen – noch knapp 4 Prozent über dem historischen Mittel liegt, halte ich es für möglich, dass der Dax noch etwas weiter steigen kann.

Fragt ein anderer Banker: Dauerhaft stärkere Inflation oder nur Zwischenhoch? Die Preise legten im Januar im Euro-Raum kräftig zu – um 1,2 Prozentpunkte auf 0,9 Prozent. Aufgrund von Sondereffekten wie der Erholung beim Ölpreis oder der neuen CO2-Abgabe in Deutschland sehen unsere Analysten für 2021 für den Euro-Raum weiteres Potenzial bei der Inflation – auf 1 bis zu 2 Prozent oder mehr. Auch für die USA rechnen wir in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von zeitweise deutlich über 2 Prozent. Doch dürfte dieser Trend auf beiden Seiten des Atlantiks nur mittelfristig andauern.

Optimismus der Finanzmarktexperten durch die monatliche ZEW-Umfrage belegt: Die ZEW-Konjunkturerwartungen steigen deutlicher als erwartet an – die Community blickt offenbar recht optimistisch in die Zukunft.

Sodann folgende Stimme eines deutschen Strategen: Inflationssorgen wachsen. Wegen eines Nachfrageeinbruchs infolge der Coronavirus-Krise kam es 2020 fast überall zu einer Unterauslastung der Wirtschaft. In den USA betrug die sogenannte Produktionslücke trotz einer schnellen Erholung nach dem ersten Lockdown am Jahresende immer noch gut minus 3 Prozent. Das sollte sich im Zuge der Konjunkturbelebung in diesem Jahr rasch ändern – die Unterauslastung der Wirtschaft könnte schon bald beseitigt sein. Insbesondere vor dem Hintergrund eines weiteren umfangreichen Fiskalpakets sehe ich daher das Risiko einer konjunkturellen Überhitzung und eines wachsenden Preisdrucks. Kein Wunder, dass auch die am Markt für zehnjährige US-Treasuries eingepreisten Inflationserwartungen mit gut 2,2

Prozent zuletzt ein Siebenjahreshoch erreicht haben. Die US-Notenbank dürfte zunächst kaum gegensteuern; sie lässt ein zeitweises Überschreiten ihres Inflationszieles von 2i Prozent explizit zu. In einem solchen Umfeld könnten die US-Renditen weiter ansteigen und inflationsgesicherte Anleihen weiterhin interessant erscheinen.

Rheinische Experten während des Karnevals: Auch wenn dieses Jahr deutschlandweit Maske getragen wurde, fehlte an den Karnevalstagen 2021 bei den Jecken nicht nur im Rheinland die unbeschwert-optimistische Stimmung. Dabei lässt sich das Rheinische Grundgesetz für Investoren sonst hervorragend nutzen. Doch an den Börsen tanzten am Rosenmontag die Bullen auf dem Parkett und feierten den fünften Rekordstand 2021 beim Dax. Vor einem Jahr war es ähnlich. Doch die großen Leitindizes in Europa, Asien und den USA zeigen sich weiter immun gegen die Corona-Pandemie, trotz Lockdown-Verlängerungen und Impfstoff-Verzögerungen. Die Geldschleusen der Notenbanken und Stimulus-Pakete der Regierungen regnen wie Kamelle und halten den Kaufrausch an der Börse am Laufen. Als Stunde der Wahrheit gelten für die Unternehmen immer noch die Quartalsberichte. Bis zum Monatsende legen noch 12 Dax-Gesellschaften ihre Q4-Zahlen vor und geben damit auch die Richtung für die anstehende Dividendensaison vor. Auch wenn jetzt die Fastenzeit beginnt, hoffen die Aktionäre hier auf Ausschüttung statt nur Konfetti. Helau!

Und das Resümee der wöchentlichen Sentiment-Erhebung an der Börse Frankfurt? Bemerkenswert ist unter dem Strich, dass der Anteil derjenigen internationalen Fondsmanager, die in Aktien der Eurozone übergewichtet sind, gegenüber Mitte Januar von netto 29 auf 20 Prozent gesunken ist, ohne dass dies dem Dax per Saldo geschadet hätte. Alle Faktoren zusammengenommen, bleibt das Umfeld für deutsche Aktien aus Sentiment-technischer Sicht weiterhin günstig, aber von Euphorie kann hierzulande keine Rede sein.

Wenngleich es aktuell weltweit nicht in gleichem Tempo voran geht, so eine Betrachtung der Weltwirtschaft, bringen die COVID-19-Impfungen auch weiteres Wirtschaftswachstum mit sich. Das BIP-Wachstum könnte 2021 in den Industrieländern 5 % und in den Schwellenländern rund 6 % übersteigen. Diese Zahlen spiegeln jedoch in erster Linie die zyklische Erholung von der globalen Rezession im vergangenen Jahr wider – und verschleiern die Tatsache, dass zwischen einzelnen Ländern deutliche Unterschiede herrschen. Die Zinsen dürften außergewöhnlich niedrig bleiben, während die Zentralbanken die fragile Erholung genau beobachten. Der vom Markt erwartete Konjunkturaufschwung birgt das Potenzial für ein robustes Gewinnwachstum. Das lässt erwarten, dass die Aktienrenditen 2021 weltweit dem langfristigen Durchschnitt von rund 8 % entsprechen oder leicht darüber liegen. Wir gehen davon aus, dass sich das makroökonomische und das Gewinnwachstum über alle Branchen, Börsenkapitalisierungen und Regionen zwar ausbreiten, aber nicht gleichmäßig verteilen wird.

Schließlich noch zwei Analysen zu den Renten- und Aktienmärkten: Die Renditen sind gestiegen, weil es eine gewisse Reflations-Mentalität an den Märkten gibt. Diese wird durch die Wachstumserwartungen und eine größere Inflationstoleranz der Zentralbanken getrieben. Die langfristigen Zinssätze und das Gewinnwachstum sind zwei zentrale Treiber von Märkten und Anlegerstimmungen – und in den vergangenen Monaten haben beide Faktoren das Thema 'Reflation' unterstützt. Die leichte Versteilung der US-Treasury-Kurve und die überraschend starken Gewinnmeldungen der Unternehmen haben sich positiv auf Risikoanlagen ausgewirkt. Meiner Meinung nach sind die Renditen jedoch weit davon entfernt, dem Wachstum oder der Aktienmarktentwicklung zu schaden. Die Gewinne steigen und langfristige Trends treiben die Aktienerträge.

Immer mehr zeigt sich, dass die Notenbanken in einer unbequemen Lage stecken: Ein Rückzug aus der liquiditätsgetriebenen Geldpolitik ist schwierig, vor allem wenn die Renditen einmal ins Laufen kommen. Stuft die Fed beispielsweise den jüngsten Anstieg als kritisch für die Finanzierungsseite ein, so wächst der Druck, die Kaufprogramme zu verlängern. Oder sie geht zu einer aktiven Steuerung der Zinskurve über. Den geldpolitischen Handlungsspielraum hat sie durch die Änderung ihrer geldpolitischen Strategie, die ein längeres Überschießen der Inflation ohne Gegenmaßnahmen zulässt, bereits geschaffen. Neben der Inflationsgefahr wächst dabei auch ein anderes Risiko. Die massiv ausgeweitete Liquidität könnte die Stabilität des globalen Finanzsystems gefährden. Die Kurskapriolen bei Bitcoin, Gamestop und Silber in den vergangenen Wochen sind möglicherweise bereits der Beginn einer Phase erhöhter Kursschwankungen – auch bei Renten.