Durch passive ETFs zum aktiven Anleger werden

 01.06.21

Der enorme Erfolg der ETFs hat hierzulande – losgelöst von Kosten und Performance – Grundsätzliches im Anlegerverhalten verändert. Und das offenbar nicht nur kurzfristig. Die Ergebnisse einer Untersuchung in mehreren europäischen Ländern sind für Deutschland so eindrucksvoll, dass man von einem großen Fortschritt in der oft als völlig unterentwickelten Anlegerkultur sprechen kann. Denn das so populär gewordene Instrument hat im besten Sinn des Worts positiv auf das Anlageverhalten insgesamt gesehen ausgestrahlt.

Das vielleicht wichtigste Ergebnis der Online-Umfrage des internationalen Asset Managers VanEck mit Sitz in New York: Die Exchange Traded Funds sind zwar im Vergleich mit klassischen Investmentfonds eine passive Geldanlage, werden aber in hohem Maße aktiv genutzt. Wer ETFs einsetzt, ist meist deutlich aktiver und emanzipierter bei Finanzthemen als Anleger, die nur in klassische Investmentfonds investieren.

Gerade hierzulande gewinnen Privatanleger deutlich mehr Selbstständigkeit. Nach eigenen Angaben nutzen dabei 69 Prozent von ihnen einen Onlinebroker und treffen ihre Anlageentscheidungen selbst. Lediglich 26 Prozent greifen noch auf die Unterstützung oder Beratung durch einen Bankberater zurück. Die Befragten, die sich wenig oder gar nicht mit ETFs auskennen, setzen hingegen zu 55 Prozent auf den Bankberater und führen ihre Investitionen nur zu 31 Prozent selbstständig über einen Onlinebroker durch.

„ETFs demokratisieren die Geldanlage. Die Umfrage zeigt, wie gut ETFs geeignet sind, die individuelle Geldanlage zu demokratisieren und Privatanleger als Akteure auf dem Finanzmarkt zu emanzipieren“, sagt Martijn Rozemuller, Europachef bei VanEck. Dem kann man nur zustimmen. Ich plädiere ja seit langem für die Weiterentwicklung der deutschen „Falschsparer“ hin zu „Selbstentscheidern“. Dazu passt, dass ETF-Anleger auch bei der Informationsbeschaffung mehr Eigeninitiative beweisen. So informiert sich der Großteil der Anleger mit ETF-Kenntnissen selbstständig, etwa über Finanz- und Spezial-Websites (39 Prozent) oder Websites von Finanzdienstleistern (37 Prozent) und setzen nur noch zu 14 Prozent auf Finanz- und Anlageberater – ganz im Gegensatz zu den Befragten ohne ETF-Kenntnisse.

Besonders bemerkenswert ist in meinen Augen schließlich ein übergeordnetes Phänomen: Wer sich mit ETFs beschäftigt oder sogar schon in welche investiert, interessiert ich deutlich mehr auch für andere Anlageklassen. Auch wenn ETFs allgemein als passiv gelten, ihre Nutzer sind es nicht. So haben weit überdurchschnittliche 69 Prozent der Befragten mit ETF-Kenntnissen auch Einzelaktien im Depot (gegenüber 42 Prozent der Fondsanleger ohne ETF-Wissen), 19 Prozent sind bereits in Kryptowährungen investiert (gegenüber 7 Prozent bei den Anlegern klassischer Fonds). Kryptowährungen als künftige Investition vorstellen können sich ganze 20 Prozent der befragten ETF-Kenner, bei denen ohne ETF-Wissen sind es nur 9 Prozent.

Für Neulinge heißt dies nicht, geschätzte Anleger, man könne ETFs unkritisch kaufen. Abgesehen von der Qual der Auswahl bleibt dem aktiven Selbstentscheider die durchaus nicht triviale Aufgabe, Zusammensetzung und Kosten der Fonds kritisch zu vergleichen.