Wir brauchen dringend eine neue Sparkultur

07.10.21

Die Entwicklung des Welt-Geldvermögens ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie geradezu spektakulär. Dramatische Verschiebungen sind zu beobachten, die offenbar noch anhalten. Dabei nehmen die Probleme und Unterschiede zwischen Arm und Reich auf internationaler Ebene, aber auch innerhalb Deutschlands zu. Das sind Trends aus dem neuen "Global Wealth Report" der Münchner Allianz SE Trends, die mich besonders beeindrucken. Der analysiert Geldvermögen und Verschuldung der privaten Haushalte in fast 60 Ländern und enthält eine zentrale Forderung: Wir brauchen dringend eine neue Sparkultur!

Zur Erinnerung: 2020 war ein Jahr extremer Gegensätze. Covid-19 zerstörte Millionen an Menschenleben und Existenzen. In der Folge stürzte die Weltwirtschaft in ihre tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig mobilisierten Geld und Fiskalpolitik ungeahnte Summen zur Unterstützung von Wirtschaft, Märkten und Menschen. Mit Erfolg: Einkommen wurden stabilisiert und die Aktienmärkte erholten sich schnell. Mit diesem Rückenwind widerstand das Geldvermögen der Haushalte der Corona-Krise: Das globale Brutto-Geldvermögen stieg im vergangenen Jahr um 9,7 Prozent und erreichte damit erstmals die magische Marke von 200 Billionen Euro.

Eine gigantische Zahl. Wichtiger – und kritisch zu betrachten – ist aber was dahintersteckt: Ersparnisse waren der Hauptreiber der Entwicklung. Die Lockdowns reduzierten die Konsumgelegenheiten drastisch und führten zum globalen Phänomen der „forced savings“. Frische Spargelder schnellten um 78 Prozent in die Höhe auf 5,2 Billionen Euro, ein absoluter Rekordwert. Zuflüsse in Bankkonten – sozusagen die Standardoption der „forced savings“, nicht-ausgegebene Einnahmen bleiben einfach auf dem Konto liegen – verdreifachten sich nahezu (+187 Prozent). Auf Bankeinlagen entfielen in allen untersuchten Märkten die Hälfte oder mehr der frischen Spargelder. Bankeinlagen weltweit stiegen daher erstmals zweistellig mit einer Rate von 11,9 Prozent; der bisherige Spitzenwert lag 2008 bei 8 Prozent während der großen Finanzkrise. Während auch die Vermögensklasse der Wertpapiere – getrieben von der starken Börsenentwicklung – kräftig um 10,9 Prozent zulegte, war die Entwicklung bei Versicherungen und Pensionsfonds deutlich verhaltener (+6,3%).

Die Autoren des Reports gehen davon aus, dass trotz aller Belastungen das globale BIP in diesem Jahr kräftig wachsen wird. Zugleich bleiben die extrem lockere Geldpolitik und eine großzügige Fiskalpolitik in Kraft. Was bedeutet dies für die Sparer weltweit? Sofern es nicht in den letzten Monaten des Jahres noch zu einer heftigen Börsenkorrektur kommt, sollte auch 2021 ein gutes Jahr für sie werden: Das globale Brutto-Geldvermögen dürfte um 7 Prozent wachsen.

Diese Zahlen sind beeindruckend. Jetzt kommt ein dickes „Aber“: Viele Haushalte sparen nicht wirklich aktiv und bewusst, sondern legen ihr Geld einfach beiseite. All dieses untätiges Geld ist eine verpasste Chance. Die Haushalte sollten stattdessen in ihren Ruhestand und die grüne Transformation investieren; nur so können die Gesellschaften die gewaltigen Herausforderungen, die vor uns liegen, Klimawandel und Alterung, meistern. Weiter heißt es bei der Allianz: Wir befürchten, dass die Haushalte, wenn sie denn anfangen, ihre gehorteten Gelder aufzulösen, sie für nachgeholten Konsum nutzen und damit nur die Inflation weiter anfachen. Wir brauchen dringend eine neue ‚Sparkultur‘.

Auch wenn hier vom Sparen die Rede ist, deckt sich die Aussage mit der von mir massiv unterstützten Forderung nach einer „Anlagerkultur“. Obwohl das zunehmend erkannt wird (die Zahl der Privataktionäre steigt endlich), sollte sich noch ein großer Teil der Bundesbürger von „Falschsparern“ zu aktiven, langfristigen Anlegern weiterentwickeln. Wer da nicht mitmacht, schadet sich erheblich – schon auf dem jetzt erreichten Niveau der Inflation.