Der onvista-Börsenfuchs: Die Nachzügler kommen aus Europa

 17.12.21

Hallo Leute! Die Prognosen haben Hochsaison. Und wir erleben wieder mal, was Volatilität bedeutet. Nicht nur am Aktienmarkt (siehe Gold, Rohstoffe, Öl, Bitcoin). Vergessen wir den heutigen großen Verfallstag an der Börse – aber die Kursschwankungen nehmen zu. Wie angekündigt. Also keine Überraschung. Wenn man versucht, aus den Puzzleteilen der täglichen Analysen, Meinungen und Prognosen so was wie ein Gesamtbild zusammen zu stellen, dann fällt einem das diesmal nicht gerade leicht. Denn es sieht so aus, als würde die Welt 2022 weiter auseinanderdriften. Das lässt sich in der internationalen Politik beobachten, aber auch gesellschaftlich und wirtschaftlich. Einer der Gründe (wenn auch nicht der alleinige Grund) liegt in der verdammten Pandemie und ihren schrecklichen Folgen.

Ein Gewinner ist die Aktie als individuelle Beteiligung am Produktivkapital der Wirtschaft. Und sie wird es nach Mehrheitsmeinung der Fachleute auch im kommenden Jahr bleiben. Aktieninvestoren konnten sich schon im zu Ende gehenden Jahr über eine überdurchschnittliche Rendite freuen. Der MSCI All Countries World Index hat in Euro gerechnet bisher 27 Prozent zugelegt. Verantwortlich für die Hausse ist vorrangig (neben dem Liquiditätsdoping durch die Zentralbanken) vorrangig die überraschend schnelle Erholung der Unternehmensgewinne. In diesem Jahr sollten die Konzerne weltweit gut 50 Prozent mehr verdient haben als 2020 – Analysten hatten zum Jahresstart „nur“ mit rund 25 Prozent gerechnet.

Der S&P 500 hat bisher 36 Prozent zugelegt und den europäischen Stoxx 600 um 13 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Schwellenländeraktien bilden hingegen wegen der Schwäche chinesischer Börsen das Schlusslicht. Der Hongkonger HSCEI steht aktuell mehr als 16 Prozent im Minus. Im kommenden Jahr könnte es sich lohnen, auf die Nachzügler zu setzen, sagen prominente Strategen. Europäische Aktien werden im Vergleich zu Ami-Titeln mittlerweile so günstig gehandelt wie nie in den vergangenen 20 Jahren und haben sich in Zeiten steigender Kapitalmarktzinsen häufig überdurchschnittlich gut entwickelt. Chinesische Aktien könnten sich indes erholen, sollte die Regierung ihre Regulierungsmaßnahmen etwas lockern, um keine signifikante Abkühlung der Konjunktur zu riskieren.

Bei allen Unterschieden in den Vorhersagen für den Börsenjahrgang 2022 sehe ich darin trotzdem eine ganz nützliche Orientierungshilfe. Das Dumme ist nur, dass sich die Aktien an den großen Märkten auch nach Branchen und Einzelwerten voll unterschiedlich entwickeln. Das macht Selbstentscheidern richtig Arbeit, meine Freunde, wenn man sich taktisch gut vorbereiten will.

Aktuelles Beispiel aus Deutschland. Die Stimmung unter den Unternehmen hat sich zum Weihnachtsfest eingetrübt. Die verschärfte Pandemie-Lage trifft konsumnahe Dienstleister und Einzelhandel hart. Die Unternehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage weniger gut. Auch der Pessimismus mit Blick auf das erste Halbjahr 2022 nahm zu. Aber: Im Verarbeitenden Gewerbe (= Industrie) ist der Index nach zuletzt fünf Rückgängen in Folge wieder gestiegen. Dies ist auf optimistischere Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Der Auftragsbestand konnte deutlich zulegen.

Und das meldet heute die Bundesbank: Die Konjunktur erleidet im Winterhalbjahr einen Rückschlag, wird im Frühjahr 2022 aber wieder Fahrt aufnehmen. Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten, wird dazu erklärt. Das macht aus Sicht der Börse nix. Die Aktienkurse versuchen ja sowieso, die Zukunft vorwegzunehmen