Alte Anlagefavoriten werden neu entdeckt

 19.05.22

Richtig mischen, möglichst international. Gerade jetzt in dieser für Wirtschaft und Politik so heiklen Phase. Diese gängige Empfehlung (eine Art Standard-Ratschlag) lesen und hören Sie inzwischen wieder öfter, geschätzte Anleger. Doch mangelt es meist noch an konkreten Skizzen der Strategen, wie ein guter und vielversprechender Aktienmix aussehen könnte. Immerhin, ich beobachte seit ein paar Tagen zunehmenden Mut einzelner Profis, Beispiele öffentlich hervorzuheben, obwohl Chancen und Risiken für das laufende und das kommende Jahr nach wie vor ganz unterschiedlich eingestuft werden. Was auffällt ist die Wiederentdeckung von Regionen und Themen, die früher schon favorisiert wurden.

Aus dem Lager der Optimisten kommt die Vorhersage, dass in den nächsten Monaten der Einfluss der makroökonomischen Faktoren nachlassen sollte, so dass Fundamentaldaten wieder wichtiger für Anlageentscheidungen werden. Von einer solchen Verschiebung der Prioritäten würde beispielsweise der Markt für Wandelanleihen profitieren. Denn in einer Überprüfung der jüngsten Quartalsergebnisse konnte man erkennen, das über 73 Prozent der im Refinitiv Global Focus Convertible Index enthaltenen Unternehmen die Umsatzerwartungen übertrafen. Darin zeigt sich, wie solide diese Unternehmen sind. Außerdem sind sie wenig direkt vom Ukraine-Krieg betroffen und profitieren von der starken Dynamik der Nach-Covid-Phase. Daher rechnen Analysten auch in den kommenden Quartalen mit guten Ergebnissen.

Internationale Experten blicken auch wieder hoffnungsvoll nach Asien. Gründe: China wandelt sich von der „Werkbank der Welt“ zur Innovationswirtschaft. Dazu der Trend, dass globale Unternehmen bestrebt sind, in ihren Lieferketten weniger abhängig von der Volksrepublik zu werden. Zugleich öffnen sich die Schwellenländer der nächsten Generation für ausländische Direktinvestitionen. Chinas wirtschaftlicher Erfolg hat dazu geführt, dass die Arbeitspreise im Laufe der Zeit erheblich gestiegen sind und dass es auf globaler Ebene nicht mehr der billigste Produktionsstandort ist. Inzwischen hat die Einführung von Handelszöllen die Wettbewerbsfähigkeit Chinas beeinträchtigt und die Pandemie hat die Probleme aufgezeigt, die sich aus einer zu starken Konzentration der Lieferketten auf nur einen Standort ergeben. Infolgedessen beginnt die Weltwirtschaft nun, ihre Abhängigkeit von China zu überwinden und neue Fabriken in anderen Schwellenländern zu errichten. Viele Unternehmen suchen nach neuen Wirtschaftsräumen, in denen sie Produktionszentren für die nächsten zwei Jahrzehnte ausbauen können. Die Länder, die am ehesten von dieser Diversifizierung profitieren können, sind die Schwellenländer der nächsten Generation, auch bekannt als „Frontier Markets“.

Vietnam gilt als ein hervorragendes Beispiel für eine Volkswirtschaft, die derzeit dem bekannten Pfad des Wachstums im verarbeitenden Gewerbe beschreitet. Dank steuerlicher Anreize, preiswerter und junger Arbeitskräfte und einer wirksamen Strategie zur Bekämpfung der Pandemie hat das Land erhebliche Investitionen in arbeitsintensive Fertigungsindustrien angezogen. So glauben Fondsmanager, dass Vietnam das Potenzial hat, einen ähnlichen Weg einzuschlagen und den Erfolg zu wiederholen, den wir vor 20 Jahren in China gesehen haben. Wir können an diesem langfristigen Trend teilhaben, indem wir direkt in Infrastruktur- und Produktionsunternehmen investieren oder indirekt über Unternehmen, die vom steigenden Konsum, der finanziellen Integration und der Immobilienentwicklung profitieren.

Die asiatischen „Tiger-Staaten“ Hongkong, Singapur, Südkorea und Thailand erlebten bereits in den 1980er und 90er Jahren ein rasantes Wachstum, als sie die ausgelagerte Fertigung entwickelten und die Beschäftigung erhöhten. China übernahm dann das Ruder als weltweiter Billigproduzent und durchlief einen ähnlichen industriellen Wandel, indem es seine Produktionskapazitäten seit Anfang der 2000er Jahre exponentiell ausbaute. Heute steht Vietnam steht in der ersten Reihe, aber auch andere Volkswirtschaften Asiens wie Bangladesch, Indonesien und die Philippinen dürften gut positioniert sein, um weiter Investitionen aus dem Ausland anzuziehen, da sie eine starke Produktionsbasis und weitere Arbeitsplätze schaffen. Länder wie Marokko, Kenia, Peru, Kolumbien, Rumänien und Ungarn gelten als ähnlich gut aufgestellt.

Die Tatsache, dass viele dieser Volkswirtschaften kaum untersucht, oft missverstanden und von vielen Anlegern ignoriert werden, macht sie für internationale Fondsmanager als langfristige Anleger noch attraktiver. Die Kombination dieser Faktoren hat zu attraktiven Bewertungen geführt, während das Wirtschaftswachstum weiterhin höher ist als in anderen Regionen der Welt.

Ein allseits bekannter Einzelfall, der jetzt wieder als Empfehlung auftaucht, ist der US-Medienkonzern Walt Disney – ein außerordentlich erfolgreicher Medien- und Entertainmentgiganten. Zu verdanken hat das Micky-Mouse-Imperium seine einzigartige Erfolgsstory nicht zuletzt dem Gespür für neue, chancen-reiche Trends, was das Konzernmanagement von Walt Disney mit dem Start des Streamingdienstes Disney+ eindrucksvoll bewiesen hat. Walt Disney bietet damit nicht nur eine attraktive Reopening-Story, sondern wird nach Überzeugung von Analysten dank seiner Erfolge im Streaming Segment und im Wachstumsmarkt Digital-Merchandising gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen.