27.05.22
Geldvermögensstatistiken sind eine trockene Materie, die vorwiegend von Fachleuten verarbeitet wird. Mich interessieren sie deshalb, weil sie auch Aufschluss über das Verhalten der privaten Anleger bieten. Die jüngsten Zahlen verringern meine Sorge, die gravierenden Belastungen für die Börse könnten die noch junge Aktienkultur in Deutschland schon wieder in Frage stellen: Sinkt die Risiko- und damit die Anlagebereitschaft, weil die Bundesbürger vorsichtshalber das Sparkonto bevorzugen? Nein, trotz steigender Zinsen und weiterer Risiken für den Aktienmarkt dürfte die zuletzt zu beobachtende „neue Aktienkultur“ in Deutschland intakt bleiben.
Trotz kriegsbedingter Aktienkurseinbrüche Anfang März fiel die Neuanlage in Fonds im ersten Quartal des laufenden Jahres zwar schwächer aus, blieb insgesamt aber positiv. Getragen wurde die erfreuliche Entwicklung vor allem von Investmentfonds. Das bestätigt die Einschätzung der Banker, dass die neue Aktienkultur in Deutschland ein nachhaltiger Trend ist. Stabilisierend auf den Trend wirken, dass viele der verstärkt jungen Erstanleger zu einem Zeitpunkt eingestiegen sind, als das Kursniveau noch niedrig war. Außerdem wird vor allem in ETFs, Aktien- und Mischfonds investiert wird, die eine breitere Risikostreuung bieten. Die neue Aktienkultur dürfte dazu beitragen, dass der massive Geldanlagestau bei den privaten Haushalten im laufenden und im nächsten Jahr spürbar verringert werden kann.
Das ist aber nur eine Zwischenbilanz. Wie werden sich die Privatanleger verhalten, wenn die Zinswende nach oben durch die Europäische Zentralbank eingeleitet wird (dauert nicht mehr lang)? Und was machen die Privathaushalte, wenn die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Probleme noch zunehmen, vor allem, wenn der Ukraine-Krieg noch weiter eskalieren sollte? Die langfristige Aktienförderung bleibt also eine für alle Beteiligten wichtige Aufgabe – unabhängig von der aktuellen Kursentwicklung.