Wer soll das bezahlen?

 28.06.22

Die Kurse zucken weiter hin und her. Händler und Portfolio Manager agieren möglichst kurzfristig. Kein Wunder, denn das Umfeld für Aktien bleibt angesichts anhaltender Rezessions- und Inflationssorgen schwierig. Die Börsen der Welt schwanken inzwischen auf einem gegenüber Dezember etwa 20 % niedrigeren Niveau. Das ist zwar nicht schön für Sie, geschätzte Anleger, aber es hätte noch schlimmer kommen können. Und: Es ist nicht auszuschließen, dass es kurz- bis mittelfristig noch schlimmer kommen wird. Schließlich sind die Sorgen ja nicht unberechtigt.

Doch vergessen wir nicht, dass es Wichtigeres als Börsen gibt. Auch wenn die Bilder vom G7-Gipfel in der bayerischen Märchenlandschaft weitreichende Harmonie verbreiten sollen, bleiben doch Zweifel, dass die politisch Verantwortlichen wirklich alles im Griff haben. Wir erleben gerade jetzt, wie Politik direkten und indirekten Einfluss auf Wirtschaft und andere Ebenen der Gesellschaft nehmen kann. Die Anleger sollten daraus erkennen, dass alles miteinander verbunden ist – enger denn je in der jüngeren Vergangenheit! Es geht also nicht nur um Ertragszahlen und Kurs/Gewinn-Verhältnisse. Nimmt man die Entwicklungen von Konjunktur und Inflation als Orientierungshilfen, so ist die historisch hohe Teuerung längst bekannt und ein schwerwiegender Belastungsfaktor für die Märkte. Am morgigen Mittwoch folgt die nächste Etappe mit der Inflationsrate für Juni. Die wird mit Sicherheit wieder bei der 8 %-Marke liegen – Volkswirte rechnen mit knapp drunter oder drüber. Völlig unklar ist der Ausblick auf den Konjunkturverlauf. Hierzu liefern die Analysten alle Varianten – von drohender Rezession und Stagflation bis zur baldigen Erholung.

Die breite Bevölkerung kann damit wenig anfangen und verlangt Inflationsausgleich. Das Konsumklima in Deutschland ist auf ein neues Rekordtief gesunken. sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartung als auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Seit Beginn der Erhebung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991 wurde kein niedrigerer Wert als aktuell gemessen. Leicht erklärt: Der anhaltende Krieg in der Ukraine sowie unterbrochene Lieferketten lassen vor allem die Energie- und Lebensmittelpreise explodieren und führen dazu, dass sich das Konsumklima so trüb wie noch nie zeigt. Vor allem der Anstieg der Lebenshaltungskosten drückt schwer auf die Stimmung der Verbraucher. Die GfK-Konsumforscher sagen deshalb, für eine nachhaltige Trendwende beim Konsumklima sei neben der Beendigung des Ukraine-Krieges vor allem entscheidend, dass die hohen Inflationsraten wieder zurückgeführtv werden. Das sehen andere Ökonomen genauso. In erster Linie ist die Europäische Zentralbank gefordert, dies durch eine angemessene Geldpolitik zu begleiten. Allerdings sollten diese Maßnahmen wohl abgewogen sein, um die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft durch eine zu restriktive Geldpolitik nicht in die Rezession zu schicken. Leichter gesagt als getan. Und die Verbraucher sehen nach wie vor ein großes Risiko, dass die deutsche Wirtschaft in die Rezession abrutschen könnte. Hinzu kommt, dass aufgrund der hohen Inflation der private Konsum als wichtige Stütze für das Wachstum der Wirtschaft auszufallen droht.

Der Unmut in der Bevölkerung wächst, die Demonstrationen gegen Inflation und für staatliche Anti-Inflationsmaßnahmen nehmen zu. Politisch Verantwortliche streiten derweil immer lauter über Staatsausgaben und Schuldendeckel. Wer soll das bezahlen? ist nicht nur der Titel eines Kölschen Karnevalslieds (bekannt seit 1949 durch Jupp Schmitz), sondern eine aktuelle Frage, die das Verhalten der gesamten Bevölkerung bewegt. So oder so, ich frage mich zudem, wie in diesem Umfeld weitere Menschen fürs sinnvolle – langfristige – Aktiensparen gewonnen werden können.