08.11.22
Jetzt ist es soweit: Mit dem näher rückenden Jahreswechsel steigt die Bereitschaft der Börsenprofis zu konkreten Prognosen. Eine der ersten breit angelegten Befragungen liefert die DVFA, der in Frankfurt/Main ansässige Berufsverband der Investment Professionals. Er wendet sich monatlich an die 1.400 Mitglieder und erforscht Themen, die aktuell in der Finanzbranche diskutiert werden. Zum Jahresende geht es um eine Vorschau auf die zentralen Kapitalmarktindikatoren 2023. Das Ergebnis der Umfrage wird Ihnen vermutlich nicht viel weiterhelfen, geschätzte Anleger, das der Verband so zusammenfasst: „Insgesamt ein gedämpft-konstruktiver Ausblick in einem von Geo-Ökonomie, Geldpolitik und Rezession geprägten Kapitalmarktumfeld.“ Aha, gedämpft-konstruktiv. Ich würde es für Börsenlaien auf Hessisch wie folgt übersetzen: „Das nächsde Jahr kann e bissi bässer wärn.“
Nicht untypisch sind aktuelle Analysen, die durch Gegenüberstellung der zahlreichen Chancen und Risiken für den Anleger die anhaltende Unsicherheit in den Mittelpunkt stellen. Nach einem „Annus horribilis“ ist es mehr oder weniger klar, wohin die Anleger glauben, dass die Welt sich bewegt. Aber sie übersehen sicherlich etwas, glaubt Christopher Smart, globaler Chefstratege und Leiter des Barings Investment Institute. Denn die Lage signalisiert auch, wie wenig zuverlässige politische Hebel in den Händen der Regierungen verbleiben, um das Wachstum anzukurbeln oder die Inflation in absehbarer Zeit abzukühlen. Die Weltwirtschaft ist krank und die einzige verfügbare Medizin wird die Dinge eher verschlimmern. Für Anleger ist die aktuelle Situation ein Giftcocktail, sagt Smart: Führt die Geldentwertung auf der einen Seite dazu, dass Geldreserven immer weniger wert sind, so wirken sich die Zinsanhebungen auf der anderen Seite negativ auf die Konjunktur und die Börsenstimmung aus.