24.01.23
Ein Nachbar, den ich noch nicht für die Börse gewinnen konnte, fragt mich zwischen Tür und Angel, warum ich öfter Marktanalysen und -Prognosen kommentiere: „Kaum hast Du es geschrieben, stimmt es schon nicht mehr.“ Der Rentner (Verkaufsleiter im Ruhestand) kennt in diesem Moment nicht einmal die jüngsten Wirtschafts- und Börsenbetrachtungen, die das Problem einmal mehr bestätigen: Was taugen die Indikatoren, wie lange ist ihre Haltbarkeitsdauer? Diese Frage stellt sich heute mehr denn je – eine Folge der Digitalisierung mit einer dramatischen Beschleunigung des Börsenhandels.
Gleich zu Jahresbeginn überwog noch zunehmende Zuversicht, dass die „große Korrektur nach oben“ bei den meisten Indikatoren anhält. Heute kamen die international forschenden Sentiment-Analysen von Sentix mit einer anderen Tonlage: „An den Aktienmärkten messen wir einen überraschend deutlichen Stimmungseinbruch. Die Stimmungswerte fallen schon wieder in die Nähe der Kaufzonen. Das lässt auf Sicht von mehr als zwei Wochen weitere Kursgewinne erwarten.“ Ups, jetzt wird’s kompliziert: Das strategische Grundvertrauen dagegen lässt noch immer zu wünschen übrig. Und zur Wall Street heißt es: „Dagegen kann das strategische Grundvertrauen nach wie vor nicht so recht überzeugen. Zwar messen wir auch hier eine Verbesserung, der Saldo ist jedoch noch immer leicht negativ. Statistisch ist hier auf Sicht mehrerer Wochen nicht viel zu erwarten.“
Dagegen eine klare Ansage zum Verhalten der Bundesbürger: Die Verbraucherstimmung in Deutschland startet mit etwas mehr Optimismus in das Jahr 2023. Sowohl die Konjunktur- als auch die Einkommenserwartung erholen sich weiter und legen spürbar zu. Die Anschaffungsneigung setzt ihr Auf und Ab der letzten Monate fort und verliert aktuell leicht. Damit verbessert sich das Konsumklima zum vierten Mal in Folge. Weniger stark steigende Preise für Energie sind in erster Linie für den erfreulichen Start verantwortlich. Trotzdem schränken die Experten ein: Dennoch wird das Jahr 2023 für die Binnenkonjunktur schwierig bleiben. Der private Konsum wird in diesem Jahr keinen positiven Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten können. Darauf deutet auch das nach wie vor sehr niedrige Niveau des Indikators hin. Unterm Strich zwar Hoffnung, aber doch keine Euphorie.
Morgen (Mittwoch) gibt es den besonders stark beachteten „Ifo“. Sollte der Monatsindikator enttäuschen, würde das auch Spuren am Aktienmarkt hinterlassen. Mutmaßlich jedenfalls, aber nicht sicher. Umgekehrt können uneingeschränkt optimistische Aussagen zu den Geschäftserwartungen den Markt und seine Kurse stärken. Meine grundsätzliche Empfehlung, geschätzte Anleger: Verfolgen Sie die laufenden Veröffentlichungen der Indikatoren und Prognosen (sowie die Analysen der Analysen), weil die dem kurz- bis mittelfristigen Anleger nutzen können, also taktisch. Langfristig sind daraus gewonnene Erkenntnisse aber weniger wertvoll, weil strategische Investmententscheidungen auch auf strategisch ausgelegten Informationen beruhen sollten.