17.01.23
Nein, es geht nicht um die Kursentwicklung, die ist momentan eher müde. Die Headline weist auch nicht auf einen der Börsentage in deutschen Großstädten hin. Die Überschrift ist vielmehr eine Eigenschöpfung für einen Tag, an dem sich positive Nachrichten zur Entwicklung unseres Aktienmarkts wie (ganz) selten häufen. Deshalb ist der 17. Januar mit den Augen des alten journalistischen Beobachters ein Tag der deutschen Aktie. Hier ein Querschnitt.
Ergänzen die Analysten der DZ Bank: Die positive Entwicklung kommt vor allem daher, dass die Angst vor Energieengpässen deutlich zurückgegangen ist. Zudem verdichten sich die Anzeichen, dass der rekordhohe Inflationstrend nachlässt. Das nährt die Hoffnung der Finanzprofis, dass sich der Handlungsdruck auf die Europäische Zentralbank mindert und kommende Zinsschritte etwas milder ausfallen könnten. Allerdings müssen dazu die Inflationsraten im Euro-Raum nachhaltig nach unten zeigen.
In meinen Augen die Nachricht des Tages, denn sie hat historische Qualität: Nie gab es mehr Aktiensparer in Deutschland. 12,9 Millionen Menschen waren im vergangenen Jahr in Aktien, Aktienfonds oder ETFs investiert, wie die heute veröffentlichten Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts zeigen. Das sind etwas mehr als zum bisherigen Höchststand von 2001 und rund 830.000 mehr Menschen als im Vorjahr. „2022 war ein sehr erfreuliches Jahr für die Aktienkultur in Deutschland. Eine wachsende Zahl an Menschen setzt für die private Vermögensbildung auf Aktien, Fonds und ETFs. Neuaktionäre haben die Kurskorrekturen für den Einstieg in den Aktienmarkt genutzt, während erfahrene Anlegerinnen und Anleger investiert blieben. Auch das große Interesse junger Menschen am Aktiensparen hat sich im vergangenen Jahr fortgesetzt. 2022 war jeder Fünfte am Aktienmarkt engagiert, also rund 18,3 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren“, freut sich Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts.
Und der Blick nach vorn aus heutiger Sicht? Eine eindeutig positive Einschätzung hat heuten Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, abgegeben: Europäische Aktien haben sich in den vergangenen drei Monaten verglichen mit ihren US-Pendants so gut entwickelt wie in den vergangenen 30 Jahren nicht. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Volkswirtschaftliche Daten fielen in Europa zuletzt besser aus als in den USA. Viele Ökonomen rechnen inzwischen nicht mehr mit einer Rezession in Europa. Die Gaspreise sind stark gefallen. Die europäische Volkswirtschaft ist enger mit der Chinas verzahnt und profitiert entsprechend stärker vom Ende der Null-Covid-Strategie. Die Gewinnschätzungen wurden bisher für europäische Konzerne weniger stark gesenkt als für US-Unternehmen. Darüber hinaus sind europäische Aktien auch für jene Investoren interessanter, die auf laufende Gewinnausschüttungen abzielen. Erstmals liegt die Gesamtrendite in Europa aus erwarteten Aktienrückkäufen und Dividenden mit rund 5 Prozent höher als in den USA mit nur 4 Prozent.
Dazu passt eine erfreuliche Meldung über eine wichtige Branche: Chemie-Aktien kommen zurück. Volle Gasspeicher, fallende Gaspreise und die zügige Lockerung der Kontakt- und Reisebeschränkungen in China kommen europäischen Chemie-Unternehmen zugute. Schließlich ist die Branche einer der größten industriellen Verbraucher und Weiterverarbeiter von Gas und signifikant vom Geschäft in China abhängig. Das Reich der Mitte stand 2020 für 40 Prozent der globalen Produktion chemischer Erzeugnisse. Zudem ist rund die Hälfte des Nachfragewachstums der vergangenen zehn Jahre auf China zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund ist die gute Entwicklung von Chemie-Aktien in den vergangenen Wochen gerechtfertigt – und kann sich durchaus noch fortsetzen.
Nicht vernachlässigt sei die Preisentwicklung, von der vieles abhängt – insbesondere die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die weitere Zinsentwicklung. Aktien können dagegen von einem gemäßigten Aufwärtstrend der Preise durchaus profitieren und steigen. Die Verbraucherpreise stiegen 2022 im Jahresschnitt um 7,9 Prozent. Zum Jahresende schwächte sich die Inflation ab. Volkswirte rechnen im Januar und Februar aber wieder mit einem höheren Tempo. Eine durchgreifende Entspannung im Gesamtjahr 2023 wird nicht erwartet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft auf eine Teuerungsrate unter 5 Prozent zum Ende dieses Jahres. Über das ganze Jahr gerechnet werde die Inflationsrate aber „eher darüber" liegen, sagte Habeck am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos.