13.04.15
Allmählich entwickele ich Verständnis für die zahlreichen Mahner und Warner – auch wenn ich anderer Meinung bin. Das betrifft nicht etwa die wiederholten Bedenken „Die Luft wird dünn“, sondern das atemberaubende Tempo, das unsere Aktienkurse schon wieder vorgelegt haben. Jeder Profi weiß, dass Finanzmärkte mitunter eine enorme Eigendynamik entwickeln können, für die es keine klare, monokausale Begründung gibt. Das war auch früher schon so, als Börse noch Börse war. Damals sagten in solchen Phasen die Händler und Makler auf dem Parkett achselzuckend: „Es gibt mehr Käufer als Verkäufer.“
Heutzutage kann man beobachten, dass das Herdenverhalten noch viel ausgeprägter ist als im analogen Zeitalter. Schon deshalb halte ich nicht viel vom antizyklischen Strategieansatz oder auch von der Empfehlung, gegen den Strom zu schwimmen. Es sei an die Stampede erinnert, die panisch flüchtenden Rinder, die jeder aus alten Western kennt: Eine ruhende Herde wird nachts aufgeschreckt, zum Beispiel durch einen Schuss. Ein paar Tiere rennen in panischer Angst los, ohne Ziel, und die ganze Herde folgt. Wehe den Cowboys, die versuchen, die Tiere aufzuhalten! Das Vieh kommt irgendwo selbst wieder zur Ruhe.
Zwei Stimmen ehrenwerter Analysten seien kurz gegenübergestellt, um den aktuellen Meinungsbogen zu beschreiben. Zu den hartnäckigen Skeptikern, die schon zu Beginn des vergangenen Jahres besonders vorsichtig waren (zu recht) gehören die Strategen der Helaba. Sie schreiben: Mit der Rally der vergangenen Wochen sind Euro-Aktien den fundamentalen Gegebenheiten weit enteilt. Angesichts der hohen Erwartungshaltung der Anleger hat die Gefahr von Enttäuschungen und damit von Kursrücksetzern deutlich zugenommen. Nach einem fulminanten ersten Quartal, in dem der Dax einen Gesamtertrag von 22 % verbuchen konnte, scheinen selbst eingefleischte Aktienbullen etwas vorsichtiger zu werden. Allein schon der deutliche Abstand zur 200-Tage-Linie von derzeit rund 20 % signalisiert eine technische Überhitzung. Schwerer wiegt aber die Divergenz zwischen Kursanstieg und Konjunkturentwicklung […] Eine Korrektur der weit enteilten Notierungen in den kommenden Monaten wäre daher alles andere als überraschend.
Mit „Es läuft!“, illustriert durch das Foto eines Jogger-Pärchen, titeln dagegen die Analysten der DekaBank ihren soeben vorgelegten Volkswirtschaftsbericht April/Mai. Darin heißt es u.a.: Die nunmehr jahrelange Beschäftigung mit vielfältigen Krisenthemen hat ermüdet, bisweilen auch abgestumpft. Es ist ein Moment des Durchatmens gekommen: Die Zeitumstellung ist geschafft, der Frühling hält Einzug, die Weltwirtschaft expandiert, und die Kapitalmärkte entwickeln sich freundlich. Kurzum: Es läuft! Bitte nicht falsch verstehen, es läuft nicht überragend gut, aber eben auch nicht wirklich schlecht. Es läuft einfach weiter – einigermaßen ordentlich und mit gemächlichem Tempo. Wie ein Marathon erscheint der lange Weg der Bewältigung der Euro-Staatsschuldenkrise. Auch beim Läufer gibt es bekanntlich immer wieder kleine Schwächephasen, zwischenzeitliche Seitenstiche oder kurzzeitige Zweifel, ob er das Ziel noch erreichen wird […] Insgesamt lässt das aktuelle weltwirtschaftliche Geschehen die Börsen weiter steigen. Hier wäre es durchaus gesund, zwischendurch etwas Tempo herauszunehmen bzw. zu korrigieren. Unabhängig davon, ob es zu dieser Korrektur kommt, sehen wir den Dax in zwölf Monaten auf einem höheren Niveau als heute und raten zu einer Übergewichtung von Aktien. Denn wenn es mal läuft, dann läuft's.
„Champions-Trader“: Weitere Höchststände wahrscheinlich
Soweit zwei prominente Meinungen – mit welcher ich sympathisiere, ist für Sie kein Geheimnis, geschätzte Leser. Und wie denken die Kollegen vom Börsenverlag? Eine druckfrische Meinung liefert Alexander Coels, Chefredakteur des „Champions Trader“: Aus Zyklensicht ist es unwahrscheinlich, dass es noch im April zu nennenswerten Korrekturen kommt. Denn wie Sie in „Das Börsenbuch“ auf den Seiten 148/149 sowie 178/179 nachlesen können, liegt für den Dax (Dow Jones) die Crash-Gefahr im April bei 2 Prozent (3 Prozent), die Gewinnwahrscheinlichkeit beträgt 61 Prozent (58 Prozent) und das Monatstief wird typischerweise am 1. April markiert. Daher gibt es zwei wahrscheinliche Varianten: Entweder setzt sich die Seitwärtsoszillation, ohne signifikante Rücksetzer, diesen Monat fort, sodass im Anschluss mit voller Kraft ein neuer Hausse-Schub, über die runden Marken, starten kann. Oder den Märkten gelingt bereits im April der nachhaltige Ausbruch über 12.000/12.168 Punkte (Dax) bzw. 18.000/18.289 (Dow Jones), sodass im Rahmen der folgenden Konsolidierung die runden Marken als Unterstützung wirken. Das bedeutet: So oder so, neue All-Time-Highs sind in den nächsten Wochen sehr wahrscheinlich.
Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!