Finanzmärkte: Die Aktienanleger können gelassen bleiben

11.05.15

Das derzeit vielleicht Interessanteste sind die Erklärungsversuche von Analysten und Anlagestrategen – kein ganz einfaches Unterfangen. Und das wahrscheinlich Wichtigste für Aktienfans ist die kraftvolle Erholung zum Wochenausklang. Eine Korrektur der Korrektur. Mehr lässt sich heute noch nicht zuverlässig sagen. Hier wie an den anderen Finanzmärkten hat sich das Kursniveau noch nicht neu eingependelt. Doch sehe ich auch (noch) keine entscheidenden Veränderungen in den Rahmenbedingungen für die Börsen.

Dass die Volatilität an den Aktienmärkten mittlerweile deutlich zugenommen hat, ist eigentlich keine Überraschung, weil so erwartet. Seit dem Hoch im April hat der Dax zeitweilig mehr als 8 % verloren. Investoren, die in den vergangenen Monaten ihre Anlageentscheidungen im Wesentlichen nach der Geldpolitik der EZB ausgerichtet hatten („QE-Trades“), neigen nun zu Gewinnmitnahmen – tiefe Spuren sind dadurch aber nur in den Kursen der Staatsanleihen entstanden. Die Analysten der Helaba, seit langem prominente Vertreter des skeptischen Lagers, glauben nun: Mit der jüngsten Korrektur hat sich auch bei Aktien die akute Überhitzung etwas abgebaut. Die angespannte Bewertungssituation hat sich dadurch jedoch noch nicht wirklich verbessert. Zwar lagen in der laufenden Zwischenberichtssaison 63 % der Nettoergebnisse über den Erwartungen (80 % der Dax-Unternehmen haben inzwischen Zahlen vorgelegt). Auch bei den Schätzungen für die kommenden zwölf Monate überwogen zuletzt die positiven Revisionen. Dies wurde durch den Kursanstieg der vergangenen Monate jedoch mehr als vorweggenommen. Ihr Fazit: Hohe Bewertung mahnt weiter zur Vorsicht, weitere Korrekturen wahrscheinlich.

Es wird Sie nicht überraschen, dass ich demgegenüber eindeutig „bullisher“ bleibe und wieder einmal stark mit der Einstellung von Daniel Zindstein sympathisiere. Der Portfoliomanager des Vermögensverwalters Gecam resümiert in seinem neuen Monatsbericht:

* Die Treiber des Aktienmarktes machen Pause

* Scharfe Korrekturen sind trendbestätigend

* Gelassen positive Sicht auf die Aktienmärkte

Wenn von einer so fast noch nie dagewesenen Rally der Aktienmärkte seit Jahresbeginn die Rede ist, sollte man besser differenzieren. Denn betrachtet man die USA als den größten Markt, so sind Aktien in diesem Jahr ein Nullsummenspiel. Dynamisch haben sich Europa/Deutschland, Japan und China gezeigt. Bei näherer Betrachtung hält sich jedoch auch hier der Enthusiasmus in Grenzen. Tatsächlich legte der Dax vom Tief im Oktober zum Hoch im April unglaublich scheinende 4.000 Punkte oder fast 50 Prozent zu. Seit Jahresanfang in der Spitze 26 Prozent. Nach der aktuell erfolgten Korrektur schmilzt diese Super-Rally jedoch auf 15 Prozent zurück. Im Übrigen entspricht das auch dem Zugewinn über fast 12 Monate. Von Juni 2014 gerechnet hat das deutsche Leitbarometer sogar nur 13 Prozent zugelegt und das in knapp einem Jahr. Also so außergewöhnlich sieht ein so gezeichnetes Bild dann nicht mehr aus.

Hans-Jörg Naumer, Chefstratege von Allianz Global Investors, legt ebenfalls Wert auf differenzierte Betrachtung – das gilt auch weiterhin, mit Blick nach vorn. Denn es stehen in den nächsten Tagen wieder zahlreiche Daten zur Veröffentlichung an, die kursrelevant sein dürften. Am stabilsten hat sich von der Konjunkturseite zuletzt der Euro-Raum gezeigt. Jetzt erwarten wir für Europa Angaben zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes im ersten Quartal sowie der Industrieproduktion (beide Mittwoch). Für Naumer sieht alles nach einer Woche ohne klare Zielrichtung aus: „Die Bodenhaftung fehlt eben noch.“

„boerse.de-Aktienbrief“: Quartalszahlen nicht überbewerten

Kollege Christoph Scherbaum, Redaktion „Aktien-Ausblick“, wirft einen wichtigen, leider allgemein unterschätzten Punkt in die Diskussion: Alle paar Monate ist es dasselbe Spiel. Die Berichtssaison über das vergangene Quartal oder auch Geschäftsjahr dominiert das Geschehen an den Märkten – und vor allem in der medialen Berichterstattung. Dabei wird oft ausschließlich anhand von Geschäftszahlen über einen kurzen Zeitraum von nur drei Monaten (seitens Analysten) darüber geurteilt, ob Aktien eines Unternehmens kaufenswert sind oder nicht. Leser des „boerse.de-Aktienbrief“ wissen dagegen, dass die Zahlen eines Quartals keineswegs für eine langfristige Aktienanlage entscheidend sind. Stattdessen gibt es viel mehr Kriterien, die über die Performance-Analyse abgedeckt werden.

Außerdem: Besonders an den heißen Tagen der Berichtssaison – wenn also viele Unternehmen gleichzeitig über ihre Geschäfte berichten – konzentriert sich das Geschehen auf wenige „Leuchtturm-Unternehmen“. Gemeint sind damit in aller Regel die großen Publikumsgesellschaften oder bekannte Markenhersteller. Hinten runter fallen dabei oft andere interessante Aktien. Denken Sie also langfristig, geschätzte Anleger!

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!