Aktienmarkt: Expertenmeinungen gehen weiter auseinander

20.08.15

Der China-Virus breitet sich aus, schreibt heute zu recht das „Handelsblatt“. Wenn „Bild“ auf Seite 3 das Thema ebenfalls aufgreift („Börsen zittern vor China-Absturz!“) könnten erfahrene Spötter das aber als Kontraindikator werten. Es fällt jedenfalls immer schwerer, seinen Optimismus zu bewahren. Auf der einen Seite erscheint es plausibel, von einer übertriebenen Reaktion auf das China-Syndrom zu sprechen, begünstigt durch das Getöse der Medien im relativ nachrichtenschwachen Hochsommer. Andererseits steigt seit Monaten das Misstrauen internationaler Investoren gegenüber den Schwellenländern – man zieht enorme Beträge ab, auch weil man sich auf die höheren Zinsen in den USA und einen noch festeren Dollar einstellt.

All das strahlt eben auch auf Dax & Co. belastend aus, wenngleich es nach wie vor nicht an ausländischen Investoren mangelt, die Deutschland als einen ihrer Top-Favoriten bezeichnen. Doch ist unserer Leitindex mittlerweile an einer technisch kritischen Stelle angelangt – allein das stärkt wiederum die Skeptiker.

Entsprechend ist auch das Fazit des gestrigen Sentiment-Berichts von der Frankfurter Börse: Nicht nur die Preise verlieren an Höhe, sondern auch die Stimmung der Anleger. Von den professionellen Investoren haben 5 Prozent Dax-Aktien seit der vorherigen Mittwochs-Erhebung verkauft und 4 Prozent sind short gegangen. 38 Prozent Bullen stehen jetzt einer Mehrheit von 44 Prozent Bären gegenüber, die mit fallenden Preisen rechnen. Der Sentiment-Index für die Anlegergruppe steht mit minus 6 Punkten unterhalb der neutralen Nulllinie. Die Privatanleger haben ähnlich reagiert, 3 Prozent Verkäufer und 3 Prozent Käufer auf der Short-Seite. Da sie aber von einem ganz anderen Niveau gekommen sind, liegt die Marktstimmung bei diesen Anlegern mit plus 10 Punkten auf optimistischem Gelände. Für den mit der Stimmungsbeobachtung beauftragten Joachim Goldberg sind die Sorgen um eine internationale Crash-Welle ausschlaggebend für die Umpositionierungen, getrieben von den Turbulenzen in China und den fallenden Rohstoffpreisen. Er vermutet, dass deutlich höhere Einstandspreise und Abneigung, Verluste zu realisieren, die privaten Anleger im Markt halten. Der verhaltensorientierte Analyst ist dennoch optimistisch für den Markt: Zum einen könne das Geld internationaler Fondsmanager in den hiesigen Markt fließen, zum anderen erwartet er bei den Juli-Tiefs von teilweise 10.650 Punkten Rückkäufe der Institutionellen.

Optimismus auch bei ausländischen Akteuren. Nach Einschätzung des britischen Investmenthauses Barings war die Reaktion auf die externen Faktoren übertrieben: „Wenn wir uns den deutschen Aktienmarkt insgesamt anschauen, sind wir optimistisch. Deutsche Aktien bieten im Vergleich zum breiteren europäischen Markt die Aussicht auf ein überdurchschnittlich hohes Ertragswachstum.“

Dem stehen pessimistisch eingestellte Experten gegenüber, die eine stärkere Negativausstrahlung Chinas gerade auf die deutsche Wirtschaft sehen sowie wachsende Attraktivität Amerikas insbesondere nach der mehrheitlich für Mitte September erwarteten Zinswende durch die US-Notenbank.

„Das Beste liegt hinter uns“ – mit dieser Überschrift seiner heute Morgen präsentierten jüngsten Analyse lässt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank, aufhorchen. Zusammenfassend heißt es: Das Bild einer zwischen traditionellen Industrieländern und nachrückenden Volkswirtschaften recht ausgewogenen weltwirtschaftlichen Entwicklung, das bis vor der Schuldenkrise gegolten hatte, trifft heute nicht mehr zu. Die Entwicklungsländer sind in den letzten Jahren mehr und mehr als globaler Wachstumsmotor ausgefallen. Somit bleiben als Motoren der Weltwirtschaft noch die Industrieländer. Insbesondere die USA, Großbritannien und Deutschland haben diese Rolle übernommen. Sie kämpfen jedoch mit einer – als Lehre aus der Finanzkrise politisch und gesellschaftlich gewünschten – zunehmenden Regulierung des Finanzsektors und einer spürbaren Investitionszurückhaltung.

In den kommenden Jahren dürfe es zu einer konjunkturellen Abkühlung in den Industrieländern kommen. Die Aktienmärkte sollten hiervon in Mitleidenschaft gezogen werden und das Zinsniveau sollte noch länger sehr niedrig bleiben. Immerhin konkretisiert Bielmeier dann: „ An den weltweiten Aktienmärkten könnte man noch für einige Zeit steigende Kurse erwarten, aber der größte Teil der Aufwärtsbewegung dürfte hier schon hinter uns liegen.“

Ich bleibe hartnäckig dabei: Wer vorsichtshalber auf den Beginn der Zinswende in Amerika warten möchte, tut gut daran, bis dahin zuzuschauen. Für mutige Anleger ist ein Dax-Niveau bei 11.000 Punkten und niedriger jedoch ein großer Anreiz zur Aufstockung seiner Position.


Marktanalyse im neuen „boerse.de-Aktienbrief“ 


Und wie sehen es die Kollegen vom „boerse.de-Aktienbrief“, den ich auch Börseneinsteigern unbedingt empfehle (kostenloses Probe-Abo beim Verlag anfordern)? Die jetzt vorliegende neue Ausgabe enthält wieder eine umfassende Marktanalyse von Chefredakteur Jochen Appeltauer, der u.a. schreibt: Nach dem Dow Jones steht nun auch der Dax auf der Kippe. An der Wall Street haben inzwischen die Bären das Ruder übernommen, und nun droht beim heimischen Leitindex ebenfalls ein Wechsel in den langfristigen Abwärtstrend. Doch genauso schnell kann sich das technische Bild wieder aufhellen, womit es unverändert spannend bleibt.


Der Dow Jones hat also noch ein ordentliches Stück Arbeit vor sich, um die angeschlagene Technik wieder deutlich zu verbessern. Und selbst wenn die 18.000er-Hürde zurückerobert wird, müssen im Anschluss noch die obere Begrenzung des seit dem Frühjahr dominierenden Seitwärtstrendkanals bzw. das All-Time-High bei 18.312 gemeistert werden. Sobald diese Kür gelingt, dürfte die Wall Street wieder kräftig durchstarten. Denn im laufenden Jahr wurde bereits viel Bewegungspotenzial angesammelt, dem in diesem Fall keinerlei Widerstände mehr im Weg stehen. Als erstes Kursziel sollte daher vermutlich bereits die 19.000er-Marke dienen. Und darüber dürften dann die magischen 20.000 Punkte eine hohe Anziehungskraft ausüben. Gerade weil sich das derzeit nur die wenigsten vorstellen können, bestehen gute Chancen, dass der Dow Jones im vierten Quartal besonders positiv überrascht. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, aktuell ein wenig mehr Pulver trocken zu halten.

Machen Sie trotzdem weiter mit – und machen Sie’s gut!