Börsenstimmung: Es geht nicht nur um Draghi

07.12.15

Kein Anlass zur Traurigkeit für Aktienfans! Hinnehmen, was am Donnerstag geschehen ist. Und vor lauter Enttäuschung über die EZB-Beschlüsse bitte nicht übersehen, dass die Währungshüter ja einen weiteren Lockerungsschritt unternommen haben. Außerdem gab es ja Vorwarnungen durch die Sentiment-Analysten an der Frankfurter Börse – erinnern Sie sich noch, liebe Anleger, an deren Resümee im Wochenbericht vom Mittwochnachmittag: Die Laune der Anleger hat wieder schwindelerregende Höhen erreicht … als ob es demnächst keine deutschen Aktien mehr zu kaufen gäbe. Ein doppeltes Risiko für den Markt: Die bereits eingepreiste Geldspritze der EZB könnte wegfallen. Außerdem sei zu erwarten, dass etliche Anleger ihre Gewinne nach der "Bescherung" mitnehmen. Tja, das war wenige Stunden vor dem Draghi-Drama.

Mittlerweile hat der EZB-Präsident die Lockerung der Geldpolitik verteidigt und Entschlossenheit für weiteres Handeln signalisiert. „Wir sind natürlich jederzeit bereit, unsere Instrumente anzupassen, um sicherzustellen, dass die Inflation zu unserem Zielwert ohne Verzögerung zurückkehrt", sagte Draghi am Freitag in New York. Es gebe keinen Zweifel, dass die Notenbank zur Sicherung der Preisstabilität ihre Schritte notfalls verstärken werde.

Haken wir die EZB-Diskussion also erst einmal ab und blicken über den Atlantik, denn jetzt geht es um noch Wichtigeres – um die Zinswende in den USA. Deren Auswirkungen werden global sein und nicht nur die Kurse von Anleihen und Aktien beeinflussen, sondern die Wechselkurse, die Rohstoffmärkte und damit auch die internationalen Kapitalströme. Die besser als erwarteten Arbeitsmarktdaten November haben an der Wall Street die Überzeugung gestärkt, dass es in der kommenden Woche endlich soweit sein wird – die Fed dürfte die Leitzinsen voraussichtlich um vorsichtige 0,25 Prozent anheben. 

Typischer Kommentar eines Bankers zur daraufhin deutlich festeren Börse am Freitag: „Die Investoren feiern, dass die Wirtschaft stark genug ist, um eine Zinserhöhung zu verkraften.“
Das ist der Punkt. Denn mir ist um den Aufwärtstrend der Aktienkurse nicht bang, wenn die volkswirtschaftlich zwar umstrittene, die Börsen aber antreibende Liquiditätspolitik realwirtschaftlich endlich fruchtet. Zur Erinnerung: Vor knapp einem Jahr schon habe ich wiederholt darauf hingewiesen, dass die Anleger nun nicht mehr allein die Geldpolitik im Auge behalten sollten, sondern parallel auch die Entwicklung der europäischen und der Weltwirtschaft. Diese Aussage gewinnt 2016 noch an Bedeutung. Und trotz aller positiven Signale von beiden Seiten des Atlantiks halten sich die Warnungen der Skeptiker, dem mäßigen konjunkturellen Aufschwung könnte schon bald die Luft ausgehen.

Ich stehe nach wie vor auf der Seite der Optimisten, die nicht allein wegen der monetären Impulse auf eine Fortsetzung der konjunkturellen Stabilisierung setzen. Die gesunkenen Rohstoffnotierungen, insbesondere die vermutlich noch tiefer fallenden Rohölpreise, sollten dazu ebenso beitragen wie ein sich weiter abschwächender Dollar. Außerdem gibt es Anzeichen, dass die Sorgen wegen der Entwicklungen in einigen Schwellenändern – insbesondere in China – im kommenden Jahr kleiner werden dürften.

Weitaus weniger ermunternd ist mein Bauchgefühl hinsichtlich des geopolitischen Umfelds. Zum einen vermag ich die positiven Betrachtungen der wirtschaftlichen Folgen des Flüchtlingszustroms nicht zu teilen. Zum anderen bleibt meine Sorge, dass Europa mit dem Zusammentreffen der Völkerwanderung und der Ausbreitung des Terrorismus nicht fertig wird – politischer Rechtsruck, zunehmende Ost-West-Spannungen, Brennpunkt Türkei, beginnt das Gebäude Europa zu bröckeln?

Es geht 2016 also um mehr, um viel mehr als um Mario Draghi. Unverändert bleibt es aber dabei, dass attraktive Alternativen zur Sachanlage Mangelware sind. Deshalb gehe ich davon aus, dass Aktien und Immobilien weiter im Mittelpunkt stehen werden. So denken eben auch marktbestimmende Kräfte wie Martin Lück, Chefstratege von Blackrock (= weltgrößter Vermögensverwalter). Sein lesenswertes Interview in der gestrigen Sonntags-FAZ trägt als Titel das Zitat: „Die Aktienkurse steigen auch 2016.“

Der „Schoko-Champion“ nicht nur zu Nikolaus

Apropos Sonntag – gestern war ja Nikolaustag. Haben Sie sich, geschätzte Leser, einen Niklas oder eine andere Figur aus Alpenvollmilch als süße Sünde gegönnt? Mein Kollege Christoph Scherbaum von der Redaktion „Aktien-Ausblick“ hat sich diesem Thema aus Anlagesicht gewidmet. Denn ein weithin bekanntes Unternehmen profitiert besonders: Der Schweizer Champions-Titel Lindt & Sprüngli. Traditionell gehört die Weihnachtszeit für Schokoladenhersteller zur umsatzstärksten Zeit des Jahres. Durch geschickte Produktentwicklungen und zielgerichtete Marketingmaßnahmen gelingt es Lindt & Sprüngli, den Spagat zwischen umsatzstarkem Weihnachtsgeschäft einerseits und saisonal unabhängigen Produktverkauf immer besser zu meistern. Statt der traditionellen Schokoladenfiguren werden in den anderen Jahreszeiten andere Köstlichkeiten verkauft – mit sehr großem Erfolg. In den ersten sechs Monaten 2015 wurde wiederum bereits ohne das Weihnachtsgeschäft eine sehr gute Basis für ein erfolgreiches Gesamtjahr gelegt. Daneben sieht es auch für die Zukunft gut aus. Am Aktienmarkt kommt dies alles sehr gut an, wie ein Blick auf den Kursverlauf verrät: Mit einem neuen Allzeithoch im November konnte Lindt & Sprüngli bereits vor Weihnachten seine Aktionäre bescheren. Und ein Ende der äußerst positiven Entwicklung scheint nicht in Sicht.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!