15.08.16
Jahreshoch statt Sommerloch – mit den
Kursen hat sich mittlerweile auch die Stimmung unter den Anlegern
spürbar gebessert. Ob damit ein längerer, nachhaltiger
Aufwärtstrend eingesetzt hat, muss allerdings nach wie vor mit
Vorsicht beurteilt werden. Eine wichtige Stütze bleibt die extrem
lockere Geldpolitik großer internationaler Notenbanken. Denn
inzwischen wird die voraussichtliche Zinswende bzw. werden weitere
Schritte nach oben auf unbestimmte Zeit verschoben. Demgegenüber
bleiben die konjunkturellen Zweifel auf beiden Seiten des Atlantiks.
Mit der folgenden Auswertung
verschiedener Analysen und Prognosen begründe ich, warum deutsche
Standardwerte unverändert eine Favoritenstellung verdienen („Home
Bias“). Trotz der gebotenen internationalen Streuung würde ich dem
Dax also weiterhin ein besonderes Gewicht im Aktiendepot einräumen.
Dabei spielen gerade die fundamentalen Wirtschafts- und
Unternehmensperspektiven eine wichtige Rolle. Es geht aber nicht nur
um den Brexit und seine Folgen, denn auch die Auswirkungen
politischer Entwicklungen tangieren natürlich die reale Wirtschaft.
Zunächst die an sich erfreuliche
Bestandsaufnahme: Trotz flauer Weltwirtschaft schiebt Deutschland die
Konjunktur in der Euro-Zone unerwartet kraftvoll an. Das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte nach offiziellen Daten im Frühjahr
um 0,4 Prozent zu. Damit fiel das Plus zum Erstaunen vieler Experten
doppelt so hoch aus wie erwartet. Kauffreudige Verbraucher stützten
den Aufschwung, der überraschend auch vom Exportgeschäft
profitierte. Ein Warnsignal kam in der vergangenen Woche jedoch vom
ifo-Institut, das die Ergebnisse des neuen World Economic Survey
(WES) vorgelegt hat. Ergebnis: Das Weltwirtschaftsklima erfährt
einen Rückschlag. Der entsprechende ifo Index sank im dritten
Quartal um 4,5 Indexpunkte auf 86,0. Damit liegt er auf dem
niedrigsten Wert seit über drei Jahren und 10 Indexpunkte unter
seinem langfristigen Durchschnitt.
Zu den Unternehmensdaten. Ungünstige
Währungseffekte und eine schwache Weltkonjunktur bescherten den
Dax-Konzernen im zweiten Quartal einen leichten Umsatzrückgang und
kräftige Gewinneinbußen. Der Gesamtumsatz der deutschen
Top-Unternehmen sank um 1,1 Prozent, der operative Gewinn (Ebit)
schrumpfte um 6,6 Prozent. Kommentieren die EY-Experten (Ernst &
Young) ihre Untersuchung: „Die Dax-Konzerne haben sich im zweiten
Quartal wacker geschlagen – trotz des konjunkturellen Gegenwinds in
vielen Märkten und trotz ungünstiger Währungseffekte.“ Vor allem
dank der wirtschaftlichen Erholung in Europa, wo der Umsatz um knapp
2 Prozent stieg, und der anhaltend guten Marktlage in Nordamerika
entwickeln sich die meisten Unternehmen im operativen Geschäft gut.
Und die extrem niedrigen Zinsen dürften auch in den kommenden
Monaten für eine hohe Konsumbereitschaft der Verbraucher und damit
für eine starke Binnennachfrage sorgen.
Das liest man gerne, obwohl die
Rahmenbedingungen zurzeit alles andere als ideal sind. Doch kommen
die Dax-Konzerne beim Umbau der Geschäftsmodelle voran. Und die
Kriegskassen sind gut gefüllt. Neben dem Umbau der Konzernstrukturen
und Geschäftsmodelle, der noch lange nicht abgeschlossen ist,
registrierten die EY-Analysten derzeit umfassende
Kostensenkungsprogramme, welche die Marge erhöhen und die
Flexibilität, Agilität und Widerstandskraft gegen Krisen erhöhen
sollen: Resümee: „So viel Veränderung und Wandel gab es selten in
den deutschen Top-Konzernen.“ Das klingt ermutigend.
Andere Strategen stellen wieder einmal
die attraktiven Renditen deutscher Dax-Werte heraus – ein Argument,
das alle Anleger eigentlich längst kennen sollten. Obwohl die
Dividendenrenditen gesunken sind, liegt der Renditeaufschlag der
Dax-Dividenden relativ zur Rendite zehnjähriger Bundesanleihen
weiterhin nahe dem Allzeithoch von rund 3%. Aber es wird zu recht
auch gewarnt, falls Kurssteigerungen nicht durch Gewinnwachstum
unterlegt werden. Wenn nur der Faktor Alternativlosigkeit im Null-
bzw. Negativ-Zinsumfeld für ein Engagement in Aktien spricht, stellt
dies längerfristig keine gesunde Entwicklung dar.
Ich teile das Fazit von boerse.de aus
der jüngsten Anlegerbefragung: Die kurzfristige Optimismus der
deutschen Privatanleger ist weiter gestiegen. Obwohl nun statistisch
gesehen mit dem August und dem September zwei eher börsenschwache
Monate anstehen, erreichen die kurz- und mittelfristigen
Einschätzungen neue Stimmungshochs. Also erwarten viele
Privatanleger eine Sommerrally und Kurssteigerungen bis zum
Jahresende. Doch großer Optimismus gilt als stimmungstechnisches
Warnsignal.
Daher besteht die Möglichkeit, dass es bis Ende
September zu einer Korrektur kommt. Auf langfristige Sicht sind die
Umfrage-Teilnehmer weit von einer Übertreibung entfernt, denn die
Anleger-Erwartung liegt deutlich unter den bisherigen Hochphasen. Ich
füge hinzu: Bleiben Sie auch international bei defensiven Werten –
der herausragende Erfolg des BCDI liefert den besten Beweis.