Börsenstimmung: Aktienmärkte im Stand-by-Modus

05.11.16

Und dann? Nur noch ein paar Tage bis die Welt einschließlich der Börsen-Welt rätseln kann, was der neugewählte US-Präsident für Freund und Feind sowie für die Märkte bedeutet. Die Gelassenheit der meisten internationalen Anlagestrategen ist in den vergangenen Tagen einer zunehmend vorsichtigen bis nervösen Haltung gewichen. Mittels Umfragen und in Gesprächen mit anderen Akteuren versuchen inzwischen immer mehr Geldmanager herauszufinden, auf was man sich einstellen sollte. Nach meinem Eindruck sind die veröffentlichten Ergebnisse uneinheitlich und schon deshalb wenig überzeugend.


Außerdem gebe ich auch im Fall der US-Wahlen zu Bedenken, dass vor einem Ereignis geäußerte Einschätzungen und dann die tatsächlichen Handlungen oft nicht deckungsgleich sind. Insofern sollte der Leser stets ein dickes Fragezeichen bereit halten. Gleich in mehrfacher Hinsicht zweifle ich beispielsweise am Wert der Aussagen einer Umfrage, der zufolge institutionelle Investoren eine mögliche Zinserhöhung durch die Federal Reserve als das größte Risiko für ihre Portfolios ansehen. 44 Prozent der Befragten bezeichnen eine Anhebung der US-Leitzinsen als ein „signifikantes“ Risiko für ihre Portfolios, dicht gefolgt von Inflation (43 Prozent). Die US-Präsidentschaftswahlen rangieren mit 38 Prozent auf Platz 3. Als weitere bedeutende Risiken wurden eine Krise an den Emerging Markets (35 Prozent) sowie der Brexit (29 Prozent) genannt.

Eine beachtliche Mehrheit der Befragten (84 Prozent) geht davon aus, dass Clinton am 8. November die Wahl für sich entscheiden wird. Nur 12 Prozent meinen, der Ausgang sei völlig offen, während eine verschwindend kleine Minderheit von 2 Prozent von einem Wahlsieg Trumps ausgeht. Weitere 2 Prozent haben keine Meinung. Diese Umfrageergebnisse verdeutlichen, warum die Wahlen nicht als das größtmögliche Risiko für Kapitalanlagen angesehen werden. Zahlreiche Investoren rechnen damit, dass Clinton ins Weiße Haus einziehen wird; ihr Sieg würde an den Finanzmärkten wohl kaum Wellen schlagen.

Dennoch ist der Ausgang der Wahlen ungewiss. Und es ist nicht auszuschließen, dass Trump nicht doch noch einen Überraschungssieg davonträgt. Hinzu kommt, dass der Wahlausgang auch die Zusammensetzung von Repräsentantenhaus und Senat bestimmt und damit den Handlungsspielraum des nächsten Präsidenten. Nur 6 Prozent der Befragten glauben, dass eine Wahl von Donald Trump zum Präsidenten einen positiven Effekt auf die globalen Aktienmärkte hätte. 84 Prozent gehen demgegenüber von einer negativen Wirkung aus; davon meinen 45 Prozent sogar, dass der Effekt „außerordentlich negativ“ sein werde. Umgekehrt sind 58 Prozent der Befragten der Ansicht, eine Präsidentschaft Clintons werde sich positiv auf die globalen Aktienmärkte auswirken, während nur 8 Prozent eine negative Wirkung erwarten.

Stimmungsschwankungen beobachten mittlerweile auch die Frankfurter Sentiment-Analysten von Goldberg & Goldberg. Es sieht so aus, schreiben sie im jüngsten Wochenbericht, als seien sich einige Börsianer hinsichtlich der US-Präsidentschaftswahlen und insbesondere eines eindeutigen Wahlergebnisses zu sicher gewesen. Denn vor Wochenfrist lag die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, noch zum Teil mit einem zweistelligen prozentualen Vorsprung vor ihrem Gegenspieler Donald Trump. Das hat sich nun gründlich geändert. Dies war für einige mittelfristig orientierte professionelle Akteure Grund genug, eine vorsichtigere Positionierung vorzunehmen. Unser Stimmungsbarometer, der Börse Frankfurt Sentiment-Index, ist dabei gegenüber der Vorwoche um 11 Punkte auf einen Stand von + 29 Punkte zurückgefallen. Eine ähnliche Entwicklung konnten wir bei den Privatanlegern beobachten, bei denen sich der Optimismus ebenfalls zurück gebildet hat. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieser Anlegergruppe ist um 12 Punkte auf einen Stand von + 31 Punkte gefallen.

Trotz der Dax-Abschwächung haben vergleichsweise viele Akteure an ihren bullischen Positionen festgehalten, obwohl der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen nicht nur auf Messers Schneide zu stehen scheint, sondern außerdem damit eine längere Phase der Unsicherheit als gewünscht für die Finanzmärkte verbunden sein könnte.

Die Zuversicht der immer noch mehrheitlich in der absoluten, aber auch in der Halbjahresbetrachtung zu optimistischen Akteure mag zum einen darin begründet sein, dass sich nunmehr viele Engagements der Optimisten „unter Wasser" befinden. Die damit einhergehende mögliche selektive Wahrnehmung dürfte sicherlich nicht primär auf Wirtschaftsdaten begründet sein, sondern entsteht eher aus dem leicht verfügbaren Vergleich, dass sich die Aktienkurse nach den US-Wahlen ähnlich wie nach dem Brexit-Votum für den Austritt Großbritanniens aus der EU entfalten könnten. Zwar hatten sich die Kurse seinerzeit zunächst erheblich abgeschwächt, aber danach innerhalb weniger Wochen sogar deutlicher erholt, als sie zuvor infolge des Votums gefallen waren.

Resümiert Joachim Goldberg: „Begreift man den Dax seit Anfang August in einer Konsolidierung zwischen grob 10.200 und 10.800 Zählern, muss man trotz allem davon ausgehen, dass der Markt angesichts des robusten Optimismus noch nicht bereinigt ist. Mit anderen Worten: Das wahrgenommene Risiko dürfte für viele Akteure derzeit an der Untergrenze besagten Feldes liegen, so dass eine Marktbereinigung frühestens unterhalb dieser Zone stattfinden dürfte.“

Für einen vorsichtigen Privatanleger sind dies keine Tage nervöser Aktivität. Es ist durchaus nicht sicher, dass nach dem 8. November der Horizont wieder heller wird. Das sollte aber etwas später mit dem Näherrücken des Jahresendes geschehen, weil dann die Märkte aller Voraussicht nach die nächste leichte Zinserhöhung durch die Fed sowie die konkreter werdenden Wirtschafts- und Unternehmensprognosen für 2017 verarbeiten können. Eine defensive Haltung bleibt angesagt.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!