Börsenfaktoren: Florierende Wirtschaft vs. zunehmende Zinsängst

24.02.18

War der Einbruch der Aktienkurse zu Beginn des Monats einfach nur eine gesunde Korrektur oder kommt da noch etwas hinterher – war es vielleicht nur der Anfang einer Korrekturphase oder sogar der Beginn eines Trendwechsels? Diese Fragen beschäftigten die Börsianer beiderseits des Atlantiks auch in der abgelaufenen Woche. Dabei war unter dem Strich zu beobachten, dass sich die Inflationsängste allmählich etwas abgebaut haben. Geblieben sind die Zinssteigerungssorgen – nicht zuletzt angesichts anhaltend guter gesamtwirtschaftlicher Perspektiven.



Damit wird deutlich, dass die Investoren zunehmend mit Interpretationsschwierigkeiten fertig werden müssen – selbst die Nachrichten aus der Wirtschaft bzw. der Wirtschaftspolitik sind nicht mehr eindeutig (siehe ZEW und Ifo). Eine Überlegung: Zwingt die starke Konjunktur die US-Notenbank (und bald auch die EZB) zu mehr und schnelleren Zinsschritten als bisher einkalkuliert? Daraus könnte man folgern: Droht bei anhaltender zinsbedingter Schwäche der Anleihemärkte irgendwann doch eine nachhaltige Eintrübung der Stimmung an den Aktienbörsen?


Dazu die Stimmungsforscher an der Börse Frankfurt: „Einige Marktbeobachter sprachen eigentlich nicht von einer echten Entwarnung, sondern von einem Gewöhnungsprozess, den viele Investoren durchlaufen haben.“ Gewöhnung bedeutet aber auch für Teilnehmer an den Finanzmärkten, dass sie sich nach einer bestimmten Zeit an neue Kursniveaus anpassen. Dass dies relativ schnell geschehen ist, zeigt wöchentliche Stimmungserhebung (Mittwoch), bei der die Zahl der Optimisten, die vor zwei Wochen noch an die ganz große Erholung der Aktienkurse nach der "gesunden Korrektur" glaubten, deutlich zurückgegangen ist.


Absolut betrachtet befinden sich die Sentiment-Indizes beider Panels (für professionelle und private Anleger) noch im positiven Bereich, haben sich aber im Vergleich zum Stand von vor zwei Wochen, als beide noch einen gleichhohen Börse Frankfurt Sentiment-Index von +33 Punkten aufwiesen, per Saldo mehr als halbiert. Und in der relativen Halbjahresbetrachtung kann man den institutionellen Anlegern sogar keinen nachhaltigen Optimismus mehr bescheinigen. Genau genommen befindet sich deren Sentiment nur noch im neutralen Bereich. Und auch bezogen auf die Erhebungen des laufenden Jahres liegt der heutige Wert gerade mal in der Mitte der Bandbreite. Bei den Privatanlegern muss man mittlerweile sogar von einem relativen Pessimismus sprechen.


Und so interpretieren das die Frankfurter Sentiment-Analysten: „Am Ende ist beachtlich, wie gut der Dax die Abgaben der heimischen mittelfristig orientierten institutionellen Investoren weggesteckt hat. Zumindest ist damit die Gefahr eines erneuten Ausverkaufs des Dax seitens heimischer Investoren gebannt. Gleichzeitig hat sich die Chance einer Konsolidierung auf dem derzeitigen Niveau deutlich erhöht.“

Ich gehe davon aus, dass es auch in den kommenden Wochen und Monaten bei den inzwischen stärker gewordenen Stimmungs- und Kursschwankungen bleiben wird. Das Gros der Investoren wird vor dem Hintergrund unsicherer – und teilweise gegensätzlicher – Einflüsse erst einmal vorsichtiger. Aber ich bleibe im Lager der „Bullen“. Ein gestern vorgelegter Ausblick der von mir besonders geschätzten Strategen von Allianz Global Investors deckt sich mit meinem Bauchgefühl („Warum glauben wir noch nicht an ein Ende des Konjunkturzyklus und eines insgesamt positiven Umfelds für Aktien?“):


· Auch wenn große Zentralbanken die Dosis ihrer Stimuli schleichend reduzieren, der geldpolitische Mix wirkt weiter unterstützend.
· Die Welt genießt weiter das stärkste Wirtschaftswachstum der letzten Jahre. Selbst eine Verlangsamung der Wachstumsdynamik würde an den sehr auskömmlichen Niveaus zunächst nichts ändern.
· Steigende Unternehmensgewinne und Rohstoffpreise lassen die Investitionen wieder anspringen. Investitionsnachfrage war lange das fehlende Puzzlestück nachhaltigen Wachstums, hier sehen wir klare Fortschritte. So blieben Unternehmensgewinne auch im vierten Quartal 2017 eine Stütze für Aktienmärkte. In den USA stiegen die Gewinne im vierten Quartal 2017 über 15% gegenüber dem Vorjahresquartal.


Auch ist nicht zu erwarten, dass die durch steigende Renditen und Inflationsraten ausgelöste Unruhe an den Kapitalmärkten schon stark genug ist, aus sich selbst heraus die Konjunktur zu gefährden. Ein Index der Finanzmarktbedingungen – hier wird gemessen, wie der Mix aus Leitzinsen, Anleiherenditen, Kreditrisiko, Aktienmarkt und Währung auf das Wachstum in den USA wirkt – zeigt weiter sehr stimulierende Bedingungen an. Die letzten Wochen hinterlassen dort nur eine kleine „Zuckung“.


Also aufatmen und gelassen bleiben, geschätzte Anleger. Aber seien Sie wachsam, denn die Diskussion über drohende Handels- und Währungskriege mahnt gerade die Europäer, dass es neue wirtschaftspolitische Risiken gibt, die auch die Finanzmärkte belasten können.


Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut