Aktienanlage: Europa im Fokus von Spekulationen

02.06.18

Es gelten nach wie vor meine Fragezeichen-Formulierungen aus den vergangenen Wochen: Ob Dow, Dax, Dollar oder Gold – wir beobachten zwar mitunter lebhafte Kursbewegungen (zumindest stärkere Zuckungen im Tagesverlauf), doch sind sie nicht nachhaltig, überzeugen weder Bullen noch Bären. Insofern drängt sich trotz einer dramatischen Nachrichtenlage für Sie, geschätzte Anleger, kein hektischer Aktionismus auf. Politik und Wirtschaftspolitik verdienen aber weiterhin volle Beachtung.



Vermutlich hatten die meisten Akteure in der Vorwoche nicht erwartet, dass sich die Entwicklung der politischen Situation in Italien derart dramatisch gestalten würde, wie sie sich dann dargestellt hat. Vor allen Dingen seit Montag haben sich die Ereignisse überschlagen. Mit teils heftigen Reaktionen an den Finanzmärkten, insbesondere, was italienische Staatsanleihen angeht. Mittlerweile haben sich die Wogen allerdings etwas geglättet. Dennoch blicken Investoren mit Sorge auf Italien, auch wenn es keine Neuwahlen gibt. Mancherorts fürchten Beobachter sogar, dass Italien nicht mehr in der Eurozone bleiben wird. Die Fachpresse titelt: „Italiens Abstieg droht den Euro mitzureißen – Schwaches Wachstum, riesige Schuldenlast und Populisten, die noch mehr Geld ausgeben wollen.“


Ein Grund für den vergleichsweise wenig spektakulären Kursrückgang des Dax sehen die Verhaltensforscher an der Börse Frankfurt darin, dass sich die institutionellen, mittelfristig orientierten Investoren bereits seit vier Wochen von ihrer pessimistischen Seite zeigen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche nur um 3 Punkte auf einen Stand von -14 Punkte nachgegeben hat (Stand Mittwoch). Mit anderen Worten: Viele der Befragten waren ohnehin auf einen Rückgang des Dax eingerichtet - auch wenn die Motive dafür ursprünglich anderer Natur gewesen sein dürften. Denn einem Teil der Pessimisten von heute – der Anteil dieser Gruppe befindet sich mit 44 Prozent auf dem höchsten Stand des Jahres – ging es vor allem darum, ihre Performance durch Ausnutzen von Kursrücksetzern aufzubessern. Diese Motive könnten sich nach den jüngsten Ereignissen in Italien und auch in Spanien geändert haben: Man setzt jetzt möglicherweise auf Sicherheit.


Eine durchaus brutale Gegenbewegung hat die Stimmung der Privatanleger erfahren, heißt es im Wochenrückblick der Stimmungsanalysten. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index für die Privaten war erst in der Vorwoche in den positiven Bereich umgeschlagen. Bei der jüngsten Befragung ergab sich jedoch ein massiver Stimmungseinbruch von 24 Punkten gegenüber der Vorwoche, so dass der Index dieses Panels nun mit -17 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Ende Juni 2017
liegt. Übersetzt heißt dies: Gut ein Viertel der früheren Optimisten hat nicht nur die Notbremse gezogen, sondern sich sogar fast vollumfänglich direkt auf die Bärenseite geschlagen.


Damit hat sich die zuvor zu beobachtende starke Divergenz zwischen institutionellen und privaten Anlegern jetzt praktisch aufgelöst – beide Gruppen sind nun ähnlich pessimistisch eingestellt. Insofern scheinen diese Anleger auf weitere Kurseinbrüche relativ gut vorbereitet zu sein. Denn die Börse Frankfurt Sentiment-Indizes sind nicht nur absolut gesehen im unteren negativen Bereich, sondern vor allen Dingen auch auf relative Sicht im Vergleich zu den zurückliegenden sechs Monaten noch viel deutlicher gefallen.


Wenn Finanzmarkt-Analysten trotz der relativ widerstandsfähigen Haltung der Aktien vor „Ansteckungsgefahren“ der Folgen politischer Irrwege waren, so kann ich mich dem nur anschließen. Noch ist das synchrone globale Weltwirtschaftswachstum zwar stabil, aber nicht völlig immun gegen die aktuell vorherrschenden wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen (Handelskrieg?). Neben steigenden täglichen Wertschwankungen an den Finanzmärkten, die man bei entsprechend langfristigem Anlagehorizont noch vernachlässigen könnte, drohen potentielle Vertrauensverluste in der Realwirtschaft, die sich unmittelbar auf das Investitionsverhalten auswirken können. Indikatoren wie Einkaufmanagerindizes und Auftragsbücher in langlebigen Wirtschaftsgütern gewinnen deshalb wahrscheinlich weiter an Gewicht zur Beurteilung der Stimmungslage in der Realwirtschaft.


Übrigens: Mutige unter Ihnen sollten jetzt ihren Spekulationstrieb nicht unterdrücken: Man könnte kurzfristig z.B. auf vermeintliche „Handelskrieg-Opfer“ setzen, wenn man doch noch an eine politische Lösung glaubt. Und: Reizt es nicht, Deutsche Bank zu Kursen unter 10 Euro zu kaufen?


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!