Börsenstimmung: Die Bären werden lauter

14.07.18

Wenn man in der Wirtschaftspresse Titelthemen wie „Das Börsen-Beben“ findet, dann halte ich derart reißerische Headlines für eine Übertreibung. Kein Zweifel, die Unsicherheit unter den Anlegern hat zugenommen – aber Angst? Es gibt inzwischen mehr und lauter werdende Warnungen vor einem nahenden Ende der langjährigen Aktienhausse. Dazwischen mischen sich auch vereinzelte Crash-Propheten. Realistischer erscheint mir jedoch die Skizze eines internationalen Investmentkonzerns: Der Handelskonflikt ist derzeit das größte kurzfristige Risiko für globales Wachstum. Die Finanzmärkte zeigen sich angesichts protektionistischer US-Maßnahmen nervös. Eine Veränderung der Welthandelsordnung bedroht Finanzlage und Stimmung der Unternehmen. Der Mangel an moderaten Einflüssen in der US-Regierung besorgniserregend.




Das heißt andererseits nicht, den gelassenen bis optimistischen Strategen würden die Argumente ausgehen. Trotz der unberechenbaren politischen Einflüsse klingst es von dieser Seite so oder ähnlich: Das Gesamtbild ist zwar nicht rosig, aber stabil. Trotz fehlender Unterstützung von der Zinsseite sind die meisten Aktienmärkte durch solide Gewinne und eine moderate Bewertung gut untermauert. Sollte es an den Märkten abwärts gehen, wäre das eher eine Zukaufgelegenheit.

Was aber bei weiterem Zinsanstieg? Die historische Entwicklung zeigt, dass sich Aktienkurse positiv entwickeln können, wenn die Anleiherenditen steigen. In den vergangenen 40 Jahren sind die Renditen von US-Staatsanleihen in 16 Zeiträumen stark gestiegen. In 14 dieser Episoden verzeichneten die im S&P 500 notierten Titel der größten US-amerikanischen Unternehmen ein durchschnittliches Kurswachstum von mehr als 7 Prozent. Noch wichtiger als der Anstieg der Rendite an sich sind nach Analystenurteil die Gründe dafür: Wenn die Renditen steigen, weil die Märkte stärker wachsen oder das Deflationsrisiko sinkt, dann sind das auch gute Nachrichten für den Aktienmarkt. Sind jedoch die Sorgen vor einer Hyperinflation der Auslöser für steigende Anleiherenditen, dann sind das schlechte Nachrichten für Aktien.


Kein klares Bild des Anlegerverhaltens ist nach der wöchentlichen Stimmungserhebung an der Börse Frankfurt zu erkennen. Betrachtet man die Sentiment-Daten der institutionellen Anleger mit mittelfristigem Handelshorizont, könnte man auf den ersten Blick meinen, sie hätten es aufgrund des eskalierenden Handelsstreits mit der Angst zu tun bekommen. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist tatsächlich massiv, und zwar um 25 Punkte auf einen Stand von -9 Punkten gefallen. Aber tatsächlich wären diese Investoren auch ohne die neuen Nachrichten angesichts eines in der Spitze 2,6-prozentigen Kursgewinns seit der vorangegangenen Erhebung dem Dax vermutlich nicht treu geblieben. Zumindest hatte man ein gutes Argument, die vielerorts aufgelaufenen Gewinne auch zu
realisieren. Ob nun aus Angst oder Risikoaversion, sei einmal dahingestellt. Und so hat sich das Bullenlager um rund 35 Prozent gegenüber der Vorwoche reduziert, wobei sich die abgewanderten Optimisten fast zu gleichen Teilen auf die Gruppen der neutral bzw. bärisch gestimmten Akteure verteilen.


Bei den Privatanlegern hat es eine derartige Verschiebung nicht gegeben, da diese Gruppe schon seit drei Wochen mehrheitlich auf sinkende Kurse setzt. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels hat sich deswegen gegenüber der Vorwoche kaum verändert und liegt mit einem neuen Stand von -8 Punkten gerade einmal 2 Punkte höher als zuvor. Damit wird gleichzeitig ersichtlich, dass große Teile dieser Anlegergruppe mit ihren Engagements derzeit unter Wasser liegen dürften und erheblich niedrigere Dax-Stände benötigen, um Absicherungen und Short-Positionen ohne Verlust wieder auflösen zu können.


Mit der Erhebung dieser Woche sind institutionelle und private Investoren nach vier Wochen divergierender Meinungen wieder zusammengerückt und setzen nun – teilweise unfreiwillig – auf einen fallenden Dax. Der Pessimismus ist nicht sonderlich ausgeprägt, was mittlerweile auch für die relative Betrachtung im Drei- und Sechs-Monatsvergleich gilt. Und nach bisheriger Lesart bedeutet dies, dass der Dax bei weiteren Kursrückgängen in einer Größenordnung von ca. 2 bis 2,5 Prozent (gemessen am Erhebungskurs von 12.450 Zählern) zumindest von heimischen Investoren wieder ordentlich nachgefragt und gestützt sein dürfte. Nachfrage ist jedoch auch angesagt, falls der Dax wider Erwarten doch noch Flügel bekommen sollte – wie zum Auftakt des Freitagshandels.


Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!