Wirtschaft und Börse: Die Zeiten des synchronen Aufschwungs sind vorbei

04.07.18

Die weltwirtschaftliche Aktivität expandiert weiterhin kräftig, schreiben Europas Konjunkturforscher. Das Welt-BIP wird gemäß Projektionen der OECD 2018 um +3,8% zunehmen nach +3,7% im vergangenen Jahr. Der Welthandel, der die letztjährige Expansion maßgeblich mitgetragen hat, dürfte um +4,7% zunehmen. Also alles klar, alles paletti auch für die Aktienmärkte? Nein, nicht mehr. Denn die jüngsten Konjunkturanalysen und -indikatoren gehen zunehmend auseinander, dementsprechend auch die Prognosen. Die momentan größte Sorge resultiert aus der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik von US-Präsident Trump, deren Folgen kaum absehbar sind. Klar scheint allerdings, dass sich die Weltwirtschaft nicht mehr synchron positiv entwickelt.




Jüngste Konjunkturindikatoren zeichnen ein weniger optimistisches Bild der aktuellen Wirtschaftsentwicklung. Gleichwohl liegen sie im historischen Vergleich nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die Industrieproduktion hat im Vergleich zum Vormonat im Januar und im Februar deutlich abgenommen (-0,6% bzw. -0,9%). Nach einem kurzen Anstieg im März (+0,5%) ist sie im April erneut gefallen (-0,9%). Im Prognosezeitraum dürfte sie mit niedrigen, aber wieder zunehmenden Raten expandieren (+0,1%, +0,3% bzw. +0,4%). Die Bauproduktion ist im April um +1,8% gestiegen, nach Rückgängen in den ersten Monaten des Jahres. Auch der Einkaufsmanagerindex (PMI) ist nach einem Höhepunkt zu Beginn des Jahres gesunken; er befindet sich aber weiterhin im expansiven Bereich. Andere Stimmungsindikatoren (Zuversicht der Unternehmen) zeigen einen ähnlichen Verlauf, während sich die Konsumentenstimmung nach einem leichten Rückgang in den ersten Monaten des laufenden Jahres stabilisiert hat. Die Arbeitsmarktbedingungen haben sich im Rahmen des Aufschwungs weiter verbessert. Die Arbeitslosenrate lag im April bei 8,5%, nach 8,6% im Vormonat. Die Beschäftigung setzte ihren Aufwärtstrend ebenfalls fort und legte im Q1 2018 um +0,4% zu.


In meinen Augen erscheint die folgende Skizze von Weltwirtschaft und Börsen schweizerischer Banken besonders plausibel: Schwierige Phase für Aktienmärkte – Potenzial in Nordamerika. Trotz der politischen Risiken, die derzeit von einer drohenden Eskalation der Handelskonflikte zwischen den USA und ihren Handelspartnern ausgehen, sprechen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin für ein ansehnliches globales Wirtschaftswachstum. Insbesondere die US- Konjunktur vermag immer wieder aufs Neue positiv zu überraschen. Dort dürfte die Wirtschaft im 2. Quartal an Tempo zulegen und über das gesamte Jahr so kräftig wachsen wie seit drei Jahren nicht mehr. Anders präsentiert sich die Lage in der Eurozone. Dort haben sich die Konjunkturindikatoren zuletzt eingetrübt. Trotzdem dürfte das Wachstum für das Gesamtjahr noch 2 Prozent betragen und stellt für die Eurozone nach wie vor einen respektablen Wert dar. Der Ausblick für die
Schwellenländer ist durchwachsen. Die wirtschaftlichen Daten fallen immer häufiger unter den Erwartungen aus. In China haben die jüngsten Angaben zur Industrieproduktion, zum Einzelhandel und zu den Anlageinvestitionen enttäuscht.


Die drohende Eskalation der Handelskonflikte, die konjunkturelle Verlangsamung außerhalb der USA und die politischen Spannungen in der Eurozone sind an den Finanzmärkten nicht spurlos vorbeigegangen. So ist die Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten ins Stocken geraten und die Renditen von sicheren Staatsanleihen sind gesunken. Die anhaltende Unsicherheit dürfte an den Aktienmärkten für eine schwierige Phase sorgen und die zuletzt wieder tiefe Volatilität steigen lassen. Das Ende der langjährigen Hausse ist indes erst in Sicht, wenn sich eine weltwirtschaftliche Rezession abzeichnet – und davon sind wir noch ein ganzes Stück weit entfernt.


In der Schweizer Analyse ist dann davon die Rede, die Markteinschätzung habe sich gegenüber dem letzten Monat hauptsächlich in zwei Punkten geändert. Erstens zeichnet sich immer deutlicher ab, dass sich die Konjunktur in den einzelnen Regionen nicht mehr so synchron entwickelt wie noch zu Beginn des Jahres. Zwar ist nirgends eine Rezession in Sicht, aber während sich das Wachstum in den USA beschleunigt, verlangsamt es sich in den übrigen Regionen. Zweitens sieht es derzeit nicht nach einer schnellen Lösung der globalen Handelsstreitigkeiten aus. Vor diesem Hintergrund hat sich die Attraktivität der einzelnen Aktienregionen etwas verschoben. Wegen der konjunkturellen Divergenz und der Tatsache, dass die USA eine Volkswirtschaft mit großem Binnenmarkt sind, wird mehr Potenzial in Nordamerika für eine überdurchschnittliche Aktienkursentwicklung gesehen.


Mein Resümee: Anleger sollten sich vor diesem Hintergrund auf eine zunehmend uneinheitliche Kursentwicklung einstellen, die nach Regionen, Branchen und Einzelwerten differenziert. Das macht es vielen Aktienfans nicht leichter, reizt andererseits zum Stockpicking und zum Traden.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!