Aktienmarkt: Viele Privatanleger ziehen die Notbremse

23.11.18

Die Privatanleger haben in der jüngeren Vergangenheit oft mehr Mut bewiesen als die Profis – zumindest sind sie relativ gelassen geblieben. Das hat sich jetzt geändert, wie Stimmungsanalysen zeigen. Abschreckend wirkt ein ganzes Bündel von ungelösten Problemen im Börsenumfeld. Zu den Irritationen durch die anhaltenden politischen Spannungen kommen jetzt die widersprüchlichen Meldungen zu den weltwirtschaftlichen Perspektiven: Man könnte jeden Tag ein positives ebenso wie ein negatives Konjunkturbild skizzieren. Hinzu kommt die anhaltende Schwäche signalisierende Marktechnik (Charts).



In der Fachwelt umstritten bleibt der Ausblick auf 2019 mit der Frage, ob sich Konjunktur und Geldpolitik in den USA und Europa tendenziell angleichen werden. Man mag darüber intelligent diskutieren und dazu vergleichbare frühere Phasen heranziehen – zu einem verlässlichen Ergebnis wird man aber nicht kommen. Es gibt für Wirtschaft und Börse einfach zu viele dicke Fragezeichen, so dass wir auch in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder mit Korrekturen aktueller Zahlen und Prognosen rechnen müssen.

Auf der negativen Seite kam zum Wochenausklang folgende Nachricht: Die deutsche Wirtschaft hat im November so schwach zugelegt wie seit fast vier Jahren nicht mehr. Der gemeinsame Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister fiel um 1,2 auf 52,2 Punkte, wie das Institut IHS Markit am Freitag zu seiner monatlichen Umfrage unter hunderten Firmen mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 53,2 Zähler gerechnet. Die Daten setzten ihren Abwärtstrend im November fort und signalisierten damit, “dass die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone ein weiteres Mal erheblich an Dynamik verloren hat”, sagte Markit-Ökonom Phil Smith.

Und die aktuellen Europa-Sorgen? Seit Wochenbeginn ist das umstrittene Budget Italiens wieder in den Brennpunkt des Interesses der Marktteilnehmer gerückt. Als ob das nicht schon genug wäre, kommt auch noch Ungemach aus den USA hinzu. Zum einen in Gestalt deutlicher Kurseinbrüche am dortigen Aktienmarkt. Zum anderen aber auch, weil mit einem Male Zweifel hinsichtlich des globalen Wachstums aufgekommen sind und auch die Prognosen zum Bruttoinlandsprodukt der USA für das vierte Quartal 2018 zurückgenommen wurden. Kein Wunder, dass sich viele Börsianer fragen, ob die US-Notenbank mit ihrem Plan einer schrittweisen Zinserhöhung mit unverminderter Geschwindigkeit fortfahren oder sich zumindest für eine Pause entscheiden wird. Dass die mittelfristig orientierten institutionellen Investoren, die von den Frankfurter Verhaltensökonomen Goldberg & Goldberg allwöchentlich befragt werden, eine derartige Hoffnung hegen – diesen Eindruck vermittelt zumindest ein erster Blick auf die jüngste Stimmungserhebung. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels ist gegenüber der Vorwoche zwar um
3 Punkte auf einen Stand von +26 gestiegen. Kommentiert Goldberg: „Aber wir gehen nicht davon aus, dass die Mehrheit der Befragten aus einer grundsätzlichen Überzeugung heraus optimistisch ist. Vielmehr zeigt sich seit rund vier Wochen, dass ein harter Kern von Börsenbullen – es handelt sich immerhin um etwas mehr als 50 Prozent aller Befragten – mehr oder weniger große Buchverluste hinnehmen musste. Dabei zeigt sich nach der Erhebung der vergangenen Woche, dass es anfangs durchaus die Möglichkeit gegeben hatte, sich im besten Fall bei einem Dax-Stand von 11.566 Zählern von Beständen zu trennen. Allerdings war dieser Zuwachs wie von uns erwartet offenbar nicht groß genug.“

Solche Sorgen mögen bei den Privatanlegern zu groß geworden sein. Denn auch dort gab es bereits seit einigen Wochen eine optimistische Mehrheit, die allerdings früher und zu höheren Kursen als ihre institutionellen Pendants als Käufer im Aktienmarkt aufgetreten waren. Zumindest ein Teil dieser Bullen hat nun das Handtuch geworfen, da die Verluste offensichtlich zu groß geworden sind. Dies zeigt sich am Sentiment-Index dieses Panels, der gegenüber der Vorwoche um 20 Punkte auf einen Stand von nur noch +1 gefallen ist. Dabei haben sich fast 10 Prozent aller Befragten direkt ins Bärenlager begeben.

Während die Privatanleger also mehr oder weniger diszipliniert und teilweise unter Hinnahme von deutlichen Kursverlusten die Notbremse gezogen haben, gilt dies nicht für die institutionellen Investoren. In dieser Gruppe ist nach wie vor mehrheitlich Durchhalten angesagt, so dass sich die Sentiment-technische Lage für den Dax nicht verbessert hat. Im Gegenteil schreibt Goldberg: „Die Bullen von heute wären vermutlich froh, die Kursspitzen der Vorwoche zwischen 11.350 und 11.450 Zählern noch einmal wiederzusehen, um sich dann zumindest noch mit einem halbwegs blauen Auge von den schal gewordenen Long-Positionen zu trennen. Damit dürfte aus heutiger Sicht eine Jahresschlussrallye recht überschaubar bleiben.“ Gleichzeitig ist der Dax an der Unterseite durch die kaum verbesserte heimische Nachfragesituation nach wie vor gefährdet. Zumal auch die internationalen Vermögensverwalter derzeit kein großes Interesse an deutschen Aktien zu haben scheinen.

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