Aktienmärkte : Konjunkturanalysen sorgen zusätzlich für Unsicherheit

14.12.18

Was kann ich in diesem Jahr noch kaufen? Die Frage eines Bekannten aus der Nachbarschaft, der im Laufe der Jahre ein unsystematisches Portfolio von mehr als 100 internationalen Aktien aufgebaut hat. Meine Empfehlung von Januar/Februar, das Depot zu konsolidieren, teilweise Gewinne zu realisieren und den übrigen Bestand gegen Kursverluste abzusichern hat der nicht befolgt. Typisch. Jetzt will er frisches Kapital investieren, „weil die Kurse doch schon so tief sind“. Mein Rat, nur Anleger mit einem wirklich langfristigen Zeithorizont sollten jetzt weiter zukaufen, beantwortete er mit: „Na ja, ein gutes Jahr lang oder so will ich die Aktien schon halten.“ Kein Kommentar. Ein hoffnungsloser Fall?



Die anhaltende Unsicherheit an den Weltbörsen hat wohl jeder beobachten oder sogar erleben können. Fatal ist der alltägliche Wechsel von positiven und negativen Nachrichten – nicht nur von den geo- und wirtschaftspolitischen Brennpunkten. Denn auch Geldpolitik und Wirtschaftsentwicklung sorgen für unterschiedliche bis kontroverse Interpretationen. Das gilt auch für entsprechende Prognosen zu den Perspektiven 2019.

Allein die am gestrigen Freitag veröffentlichten Konjunkturberichte verhindern eine klare Lagebeurteilung – zu gegensätzlich sind die Aussagen zu Europa und Deutschland. Beispiel Deutsche Bundesbank, denn deren Konjunkturprognose wurde in den Medien unterschiedlich gewichtet. Führende Agenturen verbreiteten, dass die Bundesbank die Aussichten für die deutsche Wirtschaft deutlich negativer als noch im Juni beurteilt. Stimmt, aber das ist keine Überraschung und schließt sich anderen volkswirtschaftlichen Korrekturen an. Demgegenüber titelt die Bundesbank selbst ihre Prognose mit „Deutsche Wirtschaft bleibt auf solidem Wachstumskurs“. Aus heutiger Sicht würden für das Wirtschaftswachstum die Gefahren überwiegen, erklärte wiederum Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am Freitag bei der Vorlage der halbjährigen Prognose. Diese Risikoeinschätzung gelte in geringerem Maße auch für die Inflationsrate. Der Auslastungsgrad in der Wirtschaft sei bereits hoch und er nehme in den kommenden Jahren nur noch leicht zu.

Die Bundesbank erwartet für 2018 jetzt nur noch einen kalenderbereinigten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,5 Prozent. Im Juni hatte sie noch ein Plus von 2,0 Prozent geschätzt. Für nächstes Jahr wird nun ein Wachstum von 1,6 (bisher 1,9) Prozent erwartet, ebenso für 2020 (bisher 1,6). Für das Jahr 2021 gehen die Experten von 1,5 Prozent aus. Insgesamt erwartet die Bundesbank aber, dass die deutsche Wirtschaft vorerst in einer Hochkonjunkturphase bleibt. Die demografische Entwicklung enge das künftige Wachstum jedoch ein. Die Fachleute gehen im Rahmen ihrer neuen Prognose davon aus, dass die Wachstumsdelle zügig überwunden wird.
Auch das Stimmungsbild der Börsianer hat sich aktuell nicht aufgehellt. Rückblickend auf die vergangene Woche beobachten die Frankfurter Stimmungsanalysten von Goldberg & Goldberg Reaktionen der Marktteilnehmer auf die vielfältigen Unsicherheitsfaktoren durchsetzt mit kurzfristigen Lichtblicken. Bei der Stimmungsumfrage unter den mittelfristig orientierten institutionellen Investoren (Mittwoch) schien teilweise der Optimismus zurückgekehrt zu sein. So verzeichnet der Börse Frankfurt Sentiment-Index einen Zuwachs von 18 Punkten auf einen Stand von +19 Punkten. Zu diesem Anstieg haben allerdings nicht nur die Pessimisten aus der Vorwoche beigetragen, die ihre Absicherungen gegen Kursverluste wieder zurückgenommen haben, sondern auch vormals neutral eingestellte Investoren, die sich in der Zwischenzeit als Käufer engagiert haben. Bei den Privatanlegern gibt es unterdessen fast keine Stimmungsveränderungen gegenüber der Vorwoche zu vermelden. Denn deren Börse Frankfurt Sentiment-Index ist lediglich um 2 Punkte auf einen Stand von +13 Punkte gefallen.

Resümee von Joachim Goldberg: Es fällt auf, dass bei den institutionellen Akteuren längst nicht alle Positionen derjenigen, die auf einen Kursverfall des Dax gesetzt hatten, wieder geschlossen wurden. Zumindest ist der zurückgekehrte Optimismus in diesem Panel nicht als überbordend zu bezeichnen und liegt sogar nur knapp über dem durchschnittlichen Indexstand der vergangenen drei Monate. Allerdings bleibt fraglich, ob diese zugrunde liegenden Aktienkäufe tatsächlich Ausdruck eines nachhaltigen Optimismus sind oder es sich dabei vielmehr nur um eine kurzfristige Schnäppchenjagd handelt. Vieles spricht außerdem dafür, dass die Erholung von den Jahrestiefs des vergangenen Montags hausgemacht ist. Und da aktuell kaum internationale Kapitalzuflüsse zu erwarten sind, besteht die Gefahr, dass das derzeitige Aufbäumen des Dax nichts weiter als ein Strohfeuer war.
So sieht es aus, wenn man sich den erneuten Schwächeanfall vom Freitag vor Augen hält. Ob mein Nachbar nun versteht, was Unsicherheit an den Börsen bedeutet?

Machen Sie als langfristige Aktienfans aber weiter mit – und machen Sie’s gut