Aktienmärkte: Lieber keine Rallye als in den Straßengraben

07.12.18

Was bisher schon zunehmend unsicher und fragil anmutete, ist jetzt dramatisch geworden – die Angst vor dem großen Ausverkauf grassiert. Neue Belastungsfaktoren sind hinzugekommen. Ein Beispiel ist die Verhaftung einer chinesischen Top-Managerin, was vielen Anlegern spontan als Menetekel für die amerikanisch-chinesischen Spannung sowie einer kommenden Rezession gilt. Ich teile die Headline eines Kollegen „Die Börse ist nicht mehr cool“.



Das wechselhafte, kurzfristige Verhalten der institutionellen Investoren macht deutlich, wie unsicher die marktbestimmenden Kräfte geworden sind. Groß war sie noch, die Euphorie zu Wochenbeginn, nachdem ein "Waffenstillstand" im Handelskrieg zwischen den USA und China im Rahmen des G20-Gipfels in Buenos Aires verkündet worden war. Ein Waffenstillstand, dessen Einzelheiten bis heute nicht nur für viele Finanzmarktakteure im Verborgenen geblieben sind. Denn die Geschichte wurde in China und in den USA nicht nur unterschiedlich wahrgenommen, sondern auch noch jeweils anders erzählt.

Aber abgesehen davon zogen außerdem noch düstere Wolken am US-Konjunkturhimmel auf, was auch europäische Anlagestrategen nervös macht. Denn die US-Zinsstrukturkurve ist während der vergangenen Tage nicht nur flacher geworden, sondern verläuft sogar in bestimmten Sektoren mittlerweile invers. Und eine inverse Zinsstrukturkurve wird vielerorts als Vorbote für eine Rezession – allerdings mit einem Vorlauf von 6 bis 24 Monaten – gesehen. Das hat naturgemäß auch die asiatischen und europäischen Aktienmärkte in der ersten Dezemberwoche schwer beeindruckt.

Und das berichtet der Frankfurter Verhaltensökonom Joachim Goldberg in seinem Wochenreport: Mit dem deutlichen Einbruch des Börsenbarometers hat sich auch die Stimmung unter den von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren nach dem fast schon extrem anmutenden Optimismus der Vorwoche dramatisch verschlechtert. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 49 Punkte auf einen Stand von +1 Punkt gefallen. Gut möglich, dass ein Teil dieser ehemaligen Optimisten tatsächlich noch von der zwischenzeitlichen Erholung des Dax profitieren konnte, obwohl wir selbst eigentlich erst mit einsetzenden Gewinnmitnahmen ab 11.600 Punkten gerechnet hatten. Genauso wahrscheinlich kann es aber auch sein, dass einige Akteure inzwischen die Notbremse gezogen haben. Per Saldo ist ein Großteil der Institutionellen vom Bullen- ins Bärenlager umgezogen. Unterdessen haben sich die Privatanleger per Saldo kaum gerührt. Denn deren Börse Frankfurt Sentiment-Index ist gegenüber der Vorwoche nur um 3 Punkte auf einen Stand von +15 Punkte gefallen. Diese Haltung ist angesichts der Aktienmarktentwicklung auch jenseits des Atlantiks bemerkenswert. Möglicherweise sind die zwischenzeitlich aufgelaufenen Kursgewinne nicht groß genug ausgefallen,

als dass sich die privaten Investoren von ihren mehrheitlich bullisch ausgerichteten Positionen hätten komfortabel trennen können.
Daraus folgert Goldberg: Per Saldo hat sich damit ein deutlicher Meinungsunterschied zwischen den privaten und den institutionellen Investoren manifestiert. Während Erstere versuchen werden, im Falle eines nicht gerade wahrscheinlichen Aufschwungs ihre weitgehend schal gewordenen bullischen Engagements zu reduzieren, gestaltet sich die Lage für die institutionellen Marktteilnehmer etwas günstiger.

Und was kann uns die kommende Woche bescheren? Vielleicht setzt sich ja doch wieder die Haltung durch, dass die USA – und wir in Europa – von einer Rezession weit entfernt sind. Die Inversion der US-Zinsstrukturkurve kann, muss aber nicht auf eine bevorstehende Rezession hinweisen. Eine Eskalation der amerikanisch-chinesischen Handelsstreitigkeiten könnte dies womöglich auslösen. Kommentiert das Helaba-Research: „Doch halten wird auch das derzeit für wenig wahrscheinlich.“
Überhaupt sind insbesondere die fundamentalen Faktoren geeignet, für eine wieder mildere, gelassene Stimmung an den Aktienmärkten zu sorgen – wenn andere Sorgen (die reichlich vorhanden sind) nicht größeres Gewicht behalten. Eine viel diskutierte Jahresschluss-Rallye im Sinne der Börsensprache ist so wichtig nicht. Wichtiger sollte sein, dass Wirtschaft und Finanzmärkte nicht längerfristig im Straßengraben landen.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!