Aktienstimmung: Die Börsenprofis wissen nicht, wo’s langgeht

01.03.19

An der Börse geht es immer wieder um den Faktor Zeit – heutzutage mehr denn je. Die Zeithorizonte sind auch für Volkswirte und Analysten eine besondere Herausforderung geworden, denn Tendenzen und Trends werden im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung immer wieder in Frage gestellt und revisionsbedürftig. Was gilt kurzfristig, was langfristig? Die Fragezeichen machen dem Anleger das Leben nicht leicht. Nur wer über Jahre hinweg investiert, kann mit der Aktienanlage wirklich gelassen bleiben. Denn es gibt keine bessere Alternative.
Zwei aktuelle, bezogen auf ihre Zeitbasis ganz unterschiedliche Umfragen machen deutlich, dass die Börsenprofis momentan keine klaren Perspektiven sehen. Dementsprechend taugen ihre Analysen und Prognosen nur stark eingeschränkt als Orientierung für private Anleger.



Das bestätigt auch die Sentiment-Beobachtung an der Börse Frankfurt in dieser Woche. Schreibt der damit beauftragte Verhaltensökonom Joachim Goldberg in seinem Resümee: „Interessanterweise sind die von uns befragten institutionellen Anleger mit mittelfristigem Handelshorizont von der derzeitigen positiven Entwicklung des Dax zumindest nicht so begeistert, als dass sie weiter steigenden Kursen hätten hinterherlaufen wollen. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index hat sich gegenüber der Vorwoche sogar um 6 Punkte auf einen Stand von +7 Punkte zurückgebildet.“ Bemerkenswert dabei: Diejenigen Investoren, die sich bereits auf bullisch oder bärisch vor dieser Umfrage festgelegt, also eine dezidierte Marktmeinung hatten, hielten jeweils an dieser fest. Es gab angesichts des gestiegenen Börsenbarometers weder größere Gewinnmitnahmen von Bullen noch Kapitulationskäufe von Bären. Die Veränderungen gehen fast vollständig auf Neupositionierungen ehemals neutral eingestellter Akteure zurück. Und 80 Prozent von ihnen legten sich auf zukünftig fallende Aktienkurse fest.

Bei den Privatanlegern, die schon Wochen zuvor wesentlich optimistischer als ihre institutionellen Pendants waren, gab es interessanterweise fast keine Gewinnmitnahmen – der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieser Anlegergruppe blieb gegenüber der Vorwoche mit einem Stand von +12 Punkten unverändert. Seit Jahresbeginn sind immer mindestens 40 Prozent der befragten Privatanleger bullisch eingestellt, wobei der Dax in der gleichen Zeit stichtagsbezogen einen Zuwachs von 5 Prozent verbuchen konnte. Das spricht für ein gutes Näschen vieler Privatanleger!
Unter dem Strich lässt sich feststellen, dass sich das Börsenbarometer ohne große Teilnahme heimischer, mittelfristig orientierter Investoren weiterhin nach oben bewegt hat. Und da die Aufwärtsbewegung des Dax eigentlich noch überschaubar bleibt, sehen sich viele Börsianer nicht genötigt, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, der ohnehin nicht allzu viel Tempo hat. Auf der anderen Seite waren die Kurszuwächse genauso wenig dazu geeignet, Dax-Bären in Panik zu versetzen.

Absolut betrachtet registriert Goldberg bei den befragten Investoren immer noch einen leichten Optimismus. Relativ gesehen muss man zumindest bei den institutionellen Marktteilnehmern auf Sicht von sechs Monaten sogar von einem leichten Pessimismus sprechen. Mit anderen Worten: Der Dax bleibt an der Unterseite im Falle größerer Rücksetzer gut abgesichert. Nicht nur durch heimische Marktteilnehmer, sondern auch durch langfristig orientierte (internationale) Nachfrager.

Anders klingt es nach einer Reuters-Umfrage: Nach der jüngsten Erholungsrally an den internationalen Aktienbörsen droht nach Einschätzung von Experten ein Rücksetzer. In einer am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Umfrage unter insgesamt 200 Börsenprofis aus aller Welt sagte eine Mehrheit für die Jahresmitte einen Kursrutsch voraus. Die Abkühlung der Weltwirtschaft verstärkt sich, der aktuelle Konjunkturzyklus ist bereits recht fortgeschritten, und die Notenbanken haben kaum noch Pfeile im Köcher, um die Wirtschaft zu stützen, erläuterte der Chef-Anlagestratege einer Investmentbank. Zudem belasten politische Unwägbarkeiten wie der Zollstreit zwischen den USA und China die Stimmung. Und in den USA sollten Investoren zudem die Firmengewinne genau im Auge behalten. Da der Effekt der US-Steuersenkungen aus 2018 ausläuft, rechnen Experten mit einem verlangsamten Wachstum der Überschüsse. Einige warnen sogar vor einer sogenannten Gewinnrezession.

Die Aussichten für das Gesamtjahr schätzen Börsianer zurückhaltender ein als in der vorangegangenen Umfrage vor drei Monaten. Die Mehrheit der abgefragten 16 Aktienindizes werde ihre Verluste aus dem vergangenen Jahr bestenfalls wieder aufholen.
Das klingt nicht gerade ermutigend, geschätzte Anleger, und ist viel skeptischer als die aktuelle Börsenlage in Frankfurt. Ich beschränke mich hier gerne auf „Eigenwerbung“ für den TM Börsenverlag. Denn Sie als Selbstentscheider folgen ja nicht blind den wechselhaften Ergebnissen internationaler Umfragen, sondern nutzen die konkreten Empfehlungen der Redakteure und ihren Diensten.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut