Konjunkturprognosen (2): Die neuen Vorhersagen irritieren

20.03.19

Unverändert bleibt nur meine Einleitung: Die Konjunkturperspektiven und damit verbunden die geldpolitische Strategie der Notenbanken bleiben zusammen mit den geo- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen die maßgeblichen Rahmenbedingungen für die Börsen. Dabei haben uns die vergangenen Tage neue Irritationen statt mehr Klarheit beschert. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird von der anhaltend relativ soliden Verfassung der Aktienmärkte (trotz des heutigen Rückschlags) beeindruckt. Das zeigt auch ein Blick auf die Charts, wo der Dax inzwischen erstmals seit Monaten wieder an seinen gleitenden Durchschnitt bei 11.800 Punkten herangekommen ist.



Eine Vorhersage ist längst eingetroffen: Die Vorhersagen werden auch im laufenden Jahr mehrfach korrigiert – vielleicht noch stärker als gewohnt. Dabei spielen die unberechenbaren geo- und wirtschaftspolitischen Probleme eine maßgebliche Rolle, deren Lösungen sich hinziehen. Neben dem leidigen Brexit-Chaos verdienen die USA und China laufende Aufmerksamkeit. In Deutschland müssen Anleger neben einzelnen Sonderbewegungen (Beispiel Bayer) vor allem die Entwicklungen wichtiger Branchen im Auge behalten – im Fokus stehen hier Autos und Banken. Das abgegriffene Zitat „Zwischen Hoffen und Bangen“ könnte also auch für Kapitalanleger die Überschrift sein. Das gilt natürlich, daran sei einmal mehr erinnert, nur für die kurz- bis mittelfristige Betrachtungsweise. 

Denn langfristig gibt es keinen Anlass, an der herausragenden Performance der Aktie zu zweifeln.
Vielleicht werden auch die konjunkturellen Warnungen aktuell überzeichnet. Führende Ökonomen und Regierungsberater blicken deutlich skeptischer auf die Wirtschaft und schließen selbst einen Abschwung nicht aus, meldete Reuters am Dienstag. “Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft ist vorerst vorüber”, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt. Aber das war im Grunde nichts Neues. Die Experten senkten ihre Wachstumsprognose für 2019 kräftig auf 0,8 (bisher: 1,5) Prozent. Der Sachverständigenrat bezeichnete die Risiken als “sehr hoch” und warnte mit Blick auf Brexit und Zollstreit vor einem kräftigen Abschwung. “Angesichts der bereits nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik hätte eine Spirale aus protektionistischen Maßnahmen das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleiten zu lassen.”

Bisher klangen die Ausblicke von Ökonomen weniger dramatisch – zumindest wurde eine Rezession meist ausgeschlossen. Wegen der Handelskonflikte mit den USA und der Unsicherheit über den EU-Austritt Großbritanniens haben viele Forscher ihre Wachstumsprognosen gesenkt. Die Bundesregierung rechnet für 2019 mit 1 Prozent Wachstum, nach 1,4 Prozent im Vorjahr. Das IWH-Institut aus Halle erwartet sogar, dass die Konjunktur nur noch um 0,5 Prozent anzieht. Für das nächste Jahr rechnen die Wirtschaftsweisen mit 1,7 Prozent Wachstum – vor allem wegen der deutlich höheren Zahl von Arbeitstagen. Bereinigt um diesen Effekt werde das Plus bei 1,3 Prozent liegen.

Hoffnungsvoller liest sich der neue Konjunkturbericht des ZEW: Börsenprofis blicken optimistischer auf die Konjunktur. Das Barometer für ihre Erwartungen für das nächste halbe Jahr stieg im März um 9,8 auf minus 3,6 Punkte und damit den fünften Monat in Folge, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu seiner monatlichen Umfrage unter 199 Analysten und Anlegern mitteilte. Das Barometer verharrte aber deutlich unter seinem langfristigen Durchschnitt von plus 22,2 Punkten. Zudem wurde die aktuelle Lage spürbar schlechter eingeschätzt. Es klingt verwirrend, aber der deutliche Anstieg des Erwartungsindikators zeigt, dass wichtige konjunkturelle Risiken weniger dramatisch eingeschätzt werden, erläuterte das ZEW.

Gemischt ist schließlich auch ein aktuelles Statement der Deutsche-Bank-Anlagestrategen von heute: Anleihen und „sichere Häfen“ sind gefragt, Aktien – insbesondere europäische – nicht. So kann man die aktuelle Gemütslage der Investoren laut Umfrage der Bank of America zusammenfassen. Das ist verständlich, zu groß scheinen momentan die Risiken für Europa, die von der chinesischen Konjunktur, dem andauernden Handelsstreit und dem offenbar nie endenden Brexit ausgehen. Während vor zwei Monaten allerdings noch über 60 Prozent aller Befragten eine schwächere globale Konjunktur und niedrigere Gewinne erwarteten, sind es jetzt nur noch rund 20 Prozent. Das ist die größte Zwei-Monats-Verbesserung seit 2016. Dreht die Stimmung, entwickeln sich normalerweise die Vermögenswerte am besten, die vorher keiner haben wollte.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!