Aktienmärkte: Aktive Anleger können Bewertungsunterschiede nutzen

17.05.19

Was kann man als Anleger jetzt machen? Eine Alternative wäre, angesichts der immer wieder aufkeimenden Unsicherheiten einmal nichts zu tun, vorübergehend, bis man neue, klare Signale erkennt. Professionelle Fondsstrategen empfehlen natürlich (was auch ihr Job ist) aktives Management, um Chancen u. a. durch größere Bewertungsunterschiede zu erkennen.



Obwohl sich die europäischen Aktienindizes wieder ihrem historischen Höchststand angenähert haben, konnten die in vielen Börsensegmenten von internationalen Analysten beobachteten Bewertungsanomalien durch die aufgrund der sehr widerstandsfähigen Realwirtschaft gerechtfertigte Erholung nicht korrigiert werden. Ganz im Gegenteil kann man sogar feststellen, dass sich die Polarisierung der Unternehmensbewertungen auf den Märkten während der Erholungsphase noch verstärkt hat. Das bedeutet: Es gibt nach wie vor zahlreiche Werte in vielen Branchen, die trotz gesunder Bilanzen und hoher Cashflow-Zahlen nicht gerechtfertigte Unterbewertungen aufweisen und zahlreiche Anlagemöglichkeiten bieten.

Wie verhalten sich die Anleger aktuell an der Börse Frankfurt? Der jüngste Stimmungsbericht zeigt die Schwierigkeit, das Börsenumfeld sicher zu beurteilen, um nachhaltig investieren zu können. Hauptgrund: Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist wieder eskaliert. Allerdings hatte es zunächst den Anschein, als ob die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks das Inkrafttreten der erhöhten US-Strafzölle auf China-Importe relativ gelassen hinnehmen würden. Hauptsache, die Kommunikation zwischen den USA und China würde nicht abreißen, so eines der wichtigen Argumente. Allerdings ist diese Hoffnung zu Wochenbeginn mit Bekanntgabe der chinesischen Vergeltungsmaßnahmen deutlich geschrumpft. Dennoch, der Rückgang des Dax ist noch vergleichsweise glimpflich abgelaufen.

Dass die Aktienmärkte nicht wirklich panisch reagiert haben, mag vielleicht damit zusammenhängen, dass nicht nur die Investoren hierzulande, sondern auch die internationalen Fondsmanager recht gut auf eine Eskalation im Handelskonflikt vorbereitet scheinen. Nicht nur mental, denn die Eskalation im Handelskonflikt ist gleichzeitig das größte Extremrisiko, das die von BofA Merrill Lynch befragten Fondsmanager benannt hatten. In der vom 3. bis 9. Mai ermittelten Umfrage trat nämlich außerdem zutage, dass sich über ein Drittel der befragten Anleger gegen einen Kurssturz an den Aktienmärkten in den kommenden drei Monaten abgesichert haben – es handelt sich dabei um den höchsten Wert seit Bestehen der Umfrage.

Mehrheitlich nach unten gut abgesichert waren offenbar auch die mittelfristig orientierten institutionellen Anleger an der Börse Frankfurt, wie der entsprechende Sentiment-Index am vergangenen Mittwoch zeigte. Allerdings sind diese Absicherungen zuletzt in großem Stil in Form von Rückkäufen aufgelöst worden.

Dabei kam es nicht nur erwartungsgemäß zu Gewinnmitnahmen der Bären, deren Gruppe vom höchsten Stand nun auf das niedrigste Niveau des Jahres zurückgefallen ist. Mehr als die Hälfte der früheren Pessimisten ist direkt auf die Bullenseite gewechselt, als ob die schlimmsten Gefahren aus dem US-chinesischen Handelskonflikt bereits überstanden wären. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei den Privatanlegern, aber das Ausmaß des Stimmungsumschwungs war überschaubar.

Die jüngste Befragung zeigt nach Interpretation der Sentiment-Experten zweierlei. Zum einen haben die vormals überwiegend gut positionierten institutionellen Anleger angesichts des erneuten Dax-Rückgangs nicht nur ihre teils deutlichen Gewinne durch die Korrekturbewegung realisiert. Zum anderen scheint sich gerade wegen dieses Gefühls, auf der richtigen Seite der Marktentwicklung gelegen zu haben, auch die Einschätzung des Handelskonflikts entsprechend angepasst zu haben: Das Schlimmste scheint überstanden zu sein, und zum Äußersten wird es nicht kommen, so die zuversichtliche Haltung vieler Akteure.

Allerdings stellt der jüngste Optimismus, der sich zudem noch auf dem höchsten Stand dieses Jahres befindet, eine Belastung für das Börsenbarometer dar. Denn die Optimisten von heute würden einer Dax-Erholung durch etwaige Gewinnmitnahmen auf höherem Niveau im Wege stehen. Die eigentliche Gefahr ist jedoch, wenn bullischen Engagements durch unerwartete Ereignisse unter Druck gerieten.

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