„Tech“ wird zum Standard – viele Chancen für Anleger

 18.08.20

Wer immer noch glaubt, Technologie am Aktienmarkt sei nur ein Hype mit irren Zahlen (Wachstum, Gewinne, Kurse), der irrt gewaltig. Denn die „Techs“ bilden schon jetzt so etwas wie ein eigenes Segment, wenn auch nicht offiziell und dominieren ganze Indizes. Ich behaupte: Die Zukunft dieser mächtigen Konzerne und ihrer Nachfolger hat erst begonnen und wird Kapitalanlegern noch viele großartige Chancen liefern – ich denke dabei weniger an kurzfristige spekulative Engagements, sondern vor allem an langfristigen Investitionen.

Zwei aktuelle Nachrichten markieren die Breite dieses Themenfelds, denn es wird noch zu vielen Fusionen und Kooperationen kommen – und natürlich zu zahlreichen Neugründungen (IPOs). Selbst intelligente Unternehmen der Biotechnologie, im Gesundheitswesen (Healthcare) und in der Medizintechnik können dem rasch wachsenden Kreis der Technologie zugeordnet werden.

Nestlé verleibt sich einen US-Anbieter von medizinischer Ernährung ein. Der Schweizer Nahrungsmittelriese (der in jedes langfristig ausgelegte Depot gehört) übernimmt die amerikanische IM HealthScience (IMH). Die in Privatbesitz stehende und 2013 gegründete Firma aus Florida verkauft Produkte, die bei der Behandlung von Verdauungs- und Schlafproblemen helfen sollen. IMH wächst um ein Mehrfaches schneller als der Markt. Der Wirkstoffforscher Evotec und der dänische Insulinhersteller Novo Nordisk (= meine langjährige Lieblingsaktie) schließen sich künftig bei der Erforschung und Entwicklung von Therapien gegen chronische Nierenerkrankungen zusammen. Im Zuge dieser Kooperation erhält Evotec eine in der Höhe nicht genannte Abschlagszahlung, Forschungszahlungen und mehr als 150 Millionen Euro Meilensteinpotenzial je Produkt sowie Umsatzbeteiligungen.

Technologiewerte – die neuen „Versorger“. Ein spannendes Thema, das René Kerkhoff, Analyst und Fondsmanager bei DJE Kapital, unter die Lupe genommen hat. Home-Office, virtuelle Freizeitgestaltung und Co. bescheren der Technologiebranche weiterhin Auftrieb – und wandeln zugleich deren Charakter. Mehr und mehr ergänzen konjunkturunabhängige, innovative Geschäftsmodelle wie zum Beispiel Produzenten von Software als Dienstleistung die einst von Hardware-Unternehmen dominierte Technologiebranche. Bisher galten Technologieaktien eher als offensive Investments. Doch die Corona-Krise hat die fundamentale Bedeutung dieser Branche für unser Leben wie nie zuvor verdeutlicht. Laut Microsoft-Chef Satya Nadella hat die Corona-Pandemie alle Lebens- und Arbeitsbereiche beeinflusst und dazu geführt, dass wir eine digitale Transformation von eigentlich zwei Jahren in nur zwei Monaten erlebt haben.

Das spiegelt sich inzwischen auch klar in den Aktienkursen wider. Der Index der US-Technologiebörse Nasdaq stieg in diesem Jahr um 24,5 Prozent, während der breite Weltaktien-Index MSCI World in Euro gerechnet 5 Prozent einbüßte. Die Unternehmensgewinne sind im ersten Vierteljahr auf breiter Front eingebrochen, bei den meisten Technologieunternehmen haben sie sich dagegen als überaus robust erwiesen. Und: Globale Technologieaktien verzeichneten im ersten Quartal vor der Corona-Krise ein viel stärkeres Gewinn- und Umsatzwachstum als der breite Markt. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich dieser Abstand noch weiter vergrößert. Nach Konsensschätzungen wird erwartet, dass der globale Tech-Sektor in diesem Jahr sogar ein Umsatzplus vergleichbar mit defensiven Sektoren wie dem Gesundheitswesen, Versorgern oder Konsumgütern erreichen wird.

Eine plausible These: Technologieunternehmen schlüpfen mittlerweile in die Rolle von „Versorgern“ – viele Unternehmen, Mitarbeiter und Verbraucher können bzw. wollen ohne deren Produkte und Dienstleistungen nicht mehr leben. Der Bedarf an Anwendungen ist noch größer geworden seit die Lockdown-Maßnahmen den Bedarf für Einkaufen, Lernen und Arbeiten von zu Hause aus und virtuell erhöht haben. Ich sehe darin aber auch die Bestätigung für meine alte Anregung, nicht streng nach substanz- und wachstumsstarken Aktien zu trennen. Interessanter sind Unternehmen mit starker Substanz und Marktposition, die zugleich aber auch (möglichst kontinuierlich) langfristig wachsen. Technologiewerte sind also die neuen Versorger der modernen Art – nur nicht so langweilig wie die alten.