Die Anleger selektieren zunehmend einzelne Märkte

 03.11.20

Was für eine verrückte Zeit! Daran hat auch der „Goldene Oktober“, der in diesem Jahr keiner war, nichts geändert. Zweite Welle der Corona-Pandemie, daraufhin Teil-Lockdowns in einigen Industrieländern, erschreckender Terrorismus in Europa, Disput um den Brexit – und jetzt natürlich auch noch Unsicherheit durch die Wahlen in den USA. Deren Endergebnis ist ebenso offen wie die Frage nach der Reaktion der Finanzmärkte. Wir sind seit dem Crash vom Frühjahr weiterhin im Krisenmodus, bedauern skeptische Analysten, die entsprechend keine hochgesteckten Erwartungen für 2021 hegen. Mutlosigkeit ist nach meiner Einschätzung aber nicht berechtigt, zumindest verfrüht. Dass die Aktienmärkte auch in Krisenzeiten großes Interesse finden, zeigen die von internationalen Anlegern favorisierten Länder, Branchen und Einzelwerte der zurückliegenden Monate. Gezielte Auswahl einzelner Märkte und Stockpicking könnten auch als Vorgaben für das nächste Jahr gelten.

Letztlich ergibt sich im Rückblick auf die vergangenen Wochen ein uneinheitliches Bild. Während die Börsen in den USA und Europa angesichts stark steigender Infektionszahlen Verluste hinnehmen mussten, konnten sich die Kurse in Asien besser behaupten. So gaben der S&P 500 und der Stoxx 600 im Oktober in Euro um 2 sowie 5 Prozent nach, der MSCI EM Asia Index verzeichnete dagegen ein Plus von 4 Prozent. Zu dem guten Ergebnis trugen insbesondere chinesische Aktien bei, die bei einer Gewichtung von etwa 40 Prozent vergangenen Monat fast 7 Prozent zulegen konnten. Die jüngsten (guten!) Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass sich die solide wirtschaftliche Erholung in China fortsetzt. Dazu die Strategen der Deutschen Bank: Bleibt zudem die Pandemie in Asien unter Kontrolle, könnte sich die Outperformance des MSCI EM Asia Index gegenüber Aktien aus den USA und Europa fortsetzen.

Und die laufende Berichtssaison zum dritten Quartal? Gemessen an der Marktkapitalisierung haben bisher etwa ein Drittel der im MSCI Asia Pacific Index gelisteten Unternehmen ihre Bücher geöffnet. Die ausgewiesenen Gewinne konnten angesichts einer anhaltenden Konjunkturerholung im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent gesteigert werden. Insbesondere Unternehmen aus Taiwan und China legten bisher starke Zahlen vor, die Gewinne stiegen im Vorjahresvergleich um 35 beziehungsweise 26 Prozent. In Thailand und Indonesien brachen die Gewinne dagegen um 25 und 44 Prozent ein. Auf Sektorenebene überzeugten bisher vor allem Unternehmen aus den Bereichen Gesundheit, IT und Energie. Die Gewinne der zyklischen Konsumgüterhersteller liegen zwar noch deutlich hinter den Vorjahresergebnissen, zeigen im Vergleich zum zweiten Quartal aber deutliche Erholungstendenzen.

Andere Profis beschreiben ebenfalls die unterschiedlichen Entwicklungen, unterstreichen dabei aber das ungünstige Bild für Europa. Argument: Während Asien wie der große Gewinner der Krise aussieht und die USA letztlich ein zweites

Hilfspaket beschließen werden, dessen Umfang und Konditionen vom Sieger der Präsidentschaftswahl abhängen werden, läuft Europa einmal mehr Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Zwar sind die verhängten Maßnahmen insgesamt weniger drastisch als im Frühjahr, und der Bremseffekt auf die Wirtschaft dürfte schwächer sein. Diese Verlangsamung wird allerdings eine noch stark schwächelnde Wirtschaft treffen, die sich vom ersten Lockdown bei weitem nicht erholt hat. Fondsmanager sehen also das Risiko, dass sich das potenzielle Wachstum Europas nachhaltig verringert. Um dies zu vermeiden, müssten die Reaktion der EZB im Dezember und die Initiativen der Staaten in den kommenden Wochen und Monaten massiv sein.

Vom monetären Rückhalt für Wirtschaft und Börsen durch weitere Schritte der Notenbanken (insbesondere der EZB) dürfen wir ausgehen, geschätzte Anleger. Und wer von Ihnen gezielt in Aktien investieren will, findet in den von mir bevorzugten drei Märkten hinreichend Möglichkeiten: Wall Street, China und Deutschland (nicht Europa).