12.11.20
Was wir seit Montag erleben, kann sich in ähnlicher Weise noch einige Zeit fortsetzen. Dabei meine ich mehr als nur ein paar Wochen, sondern einen mittelfristigen Horizont von etwa ein bis drei Jahren. Überzeugende Börsenprognosen mit konkreten Zahlen bringen momentan nicht viel, denn wir müssen davon ausgehen, dass die Unsicherheit der Märkte weiterhin kommt und geht – dementsprechend sind sich führende Strategen einig, dass sich die Anleger auf hohe Volatilität und differenzierte Kursentwicklungen einstellen müssen.
Es kommt auf einen Durchbruch bei den aktuellen Herausforderungen an, auf Anregungen, die großen Teilen der Gesellschaft – insbesondere der Wirtschaft – wirklich helfen würden. Eine Erkenntnis: Das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen spielt für immer mehr einflussreiche Marktteilnehmer nicht mehr die ganz große Rolle. Der alles überragende Impuls wird darin bestehen, dass sich die Gesellschaft an das Virus anpasst und das normale Leben wieder aufgenommen werden kann. Die Impfstoffnachrichten in dieser Woche haben uns diesem Szenario zumindest einen Schritt näher gebracht. Dazu Grüner Fisher Investments: Sobald die Unternehmen mehrheitlich zu ihrer normalen Geschäftstätigkeit zurückkehren können, springt die Weltwirtschaft wieder an – dazu braucht es keine Schützenhilfe vom US-Kongress.
Was können die Sentiment-Analysten an der Börse Frankfurt beobachten? Stärker als die der Profis ist in den vergangenen Tagen die Reaktion bei den Privatanlegern ausgefallen, die in der Vorwoche längst nicht so optimistisch wie ihre institutionellen Pendants gewesen waren. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels springt um 14 Punkte nach oben auf einen neuen Stand von +25. Dabei kann man angesichts der Stimmungsveränderung durchaus von einer kleinen Kapitulation der Bären sprechen, deren Anteil innerhalb des Panels auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr gefallen ist. Mit der Befragung vom gestrigen Mittwoch liegen die Sentiment-Indizes der privaten und der institutionellen Investoren fast gleichauf, wobei der Optimismus der Privatanleger so hoch ist wie zuletzt Ende November 2019!
Naturgemäß stellen Sentiment-Werte in der derzeitigen Höhe einen Belastungsfaktor für den Dax dar. Aber ist dieser Optimismus tatsächlich überbordend? Nicht wirklich, beruhigt der damit befasste Verhaltensforscher Joachim Goldberg. Ein Argument: Auf die relative Sicht von sechs Monaten ist der Optimismus gegenüber der Vorwoche praktisch unverändert hoch geblieben. Damit wird gleichzeitig erkennbar, dass sich der Dax-Anstieg weniger heimischen Quellen entsprungen ist, sondern zumindest in der vergangenen Woche auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland zurückgeführt werden kann. Die derzeitige Situation des Dax ist auf jeden Fall nicht ganz ungefährlich, da zusätzliche Nachfrage nur auf erheblich niedrigerem Niveau zu
erwarten ist – möglicherweise erst bei 12.700 Zählern. Dennoch gilt: Sentimenttechnisch gesehen wäre es wohl noch zu früh, jetzt das Ende der Aktienmarktrally zu verkünden. Geduld ist angesagt.